0098 - Im Labyrinth der grünen Henker
in der Dunkelheit außerhalb des Lichtscheins von Bills Fackel. Ein Zischen, und ein Schwall eiskalter, stinkender Luft blies durch den Gang. Die Fackel flackerte und erlosch.
Bill fluchte, suchte im Dunkeln herum und entzündete sie wieder. Castelo Kubitschek war neben ihn getreten. Das Gesicht des Brasilianers war von Angst gezeichnet.
»Mutter Gottes«, flüsterte er. »Ogun, Bara und Jara, helft uns und steht uns bei! Alle heiligen Nothelfer!«
»Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott«, sagte der praktisch veranlagte Bill Fleming. »Wir dringen ins Labyrinth ein, schließlich wollen wir die Macumba-Götter finden. Hoffentlich gibt es nicht noch einmal einen solchen Luft…«
Ein kreischendes Lachen unterbrach ihn. Abermals fauchte und zischte es, und nochmals fauchte ein Schwall stinkender und eiskalter Luft an Bill Fleming und Castelo Kubitschek vorbei. Er löschte die Fackel. Bill fluchte und zündete sie wieder an. Das Spiel wiederholte sich noch zweimal.
Resigniert warf Bill Fleming die Fackel weg.
»Lassen wir es. Wir müssen uns eben an den Wänden entlangtasten.«
Bill hatte es kaum gesagt, als ein Wispern und Raunen ertönte. Seltsame, dämonische Stimmen lachten und kreischten, aber wie aus weiter Ferne. Der Chor beschimpfte und verhöhnte Bill Fleming und den Brasilianer.
Ein düsteres Leuchten, dessen Quelle nicht zu erkennen war, glomm auf und erhellte den Gang. Bill Fleming sah sich um. Jetzt zeigten die Wände lauter dämonische Fratzen, eine scheußlicher als die andere.
Castelo Kubitschek stöhnte und schlug die Hände vor die Augen.
Bill Fleming war aus härterem Holz geschnitzt. Die Stimmen in seinem Kopf sagten scheußliche Dinge. Die Dämonenfratzen an den Wänden verzerrten sich, streckten schwarze und gelbe Zungen heraus.
»Ihr könnt mich auch mal«, sagte Bill Fleming laut. Seine Stimme hallte verzerrt. Er faßte Kubitschek am Arm. »Los, wir marschieren weiter. Oder willst du hier stehenbleiben und dir die Hose vollmachen?«
Der Brasilianer faßte sich mühsam. Er nickte.
»Gehen wir, Señor Fleming.«
Bill Fleming holte die Rolle mit der Kunststoff schnür aus seinem Tornister. Ein spitzer Nagel hing am Ende der Schnur. Bill fand eine schmale Spalte und klopfte ihn mit dem Revolvergriff hinein.
»So das hätten wir.«
Bill Fleming und Castelo Kubitschek marschierten los. Der fahle Lichtschein wanderte- mit ihnen. Die dämonischen Stimmen und Fratzen begleiteten sie und zerrten an ihren Nerven. Bill und der Brasilianer gerieten rasch tiefer in das Labyrinth hinein. Es gab unzählige Abzweigungen, Seiten- und Quergänge und blinde Stollen.
Bill spulte seinen Faden ab. Er sagte Castelo Kubitschek, er solle vor allem die Nerven nicht verlieren. Der Brasilianer nickte. Sein Herz schlug wild unter dem verwegen gemusterten bunten Hemd, über dem er eine Khakijacke trug.
Seine Rechte umklammerte die Machete, obwohl sie ihm gegen dämonische Wesen nicht viel helfen würde.
Der Kompaß zeigte in alle möglichen Richtungen. Bill Flemings Armbanduhr und die Castelo Kubitscheks waren stehengeblieben. Bill wußte aber auch ohne Zeitmesser, daß sie sich noch nicht lange in dem Labyrinth befanden.
Vor den beiden Männer kreuzten sich zwei Gänge. Als sie die Kreuzung fast erreicht hatten, erschien wie aus dem Nichts eine hochgewachsene Gestalt im grünen Kapuzenumhang. Ein Totenschädel grinste Bill Fleming und Castelo Kubitsehek an.
Ein grüner Henker stand vor ihnen! »Der hat uns gerade noch gefehlt«, murrte Bill. »Nimm die Flasche zur Hand, Castelo. Wenn er zuckt, begieße ihn tüchtig.«
Castelo Kubitsehek öffnete die Aluminiumflasche mit der magischen Flüssigkeit. Aber der grüne Henker rührte sich nicht. Er blieb in der Mitte der Gangkreuzung stehen, mit verschränkten Armen.
Bill Fleming und Castelo Kubitsehek drückten sich seitlich an ihm vorbei. Sie gingen weiter, und hinter ihnen verschwand der grüne Henker.
»Was war das?« fragte Kubitsehek. »Warum hat er uns nicht angegriffen?«
»Weil wir in dem Labyrinth sind und nicht mehr hinauskönnen«, sagte Bill Fleming. »Mir scheint, sie haben hier etwas Besonderes mit uns vor.«
Castelo Kubitsehek stöhnte auf. Von einer Sekunde zur ändern wurde es stockfinster und eisig kalt. Es stank giftig nach Schwefel und Phosphor. Der Chor der Dämonenstimmen war verstummt, die Fratzen verschwunden. Doch die Stille und die Dunkelheit waren im Moment noch beunruhigender.
»Kein Grund zur Aufregung«, sagte Bill Fleming.
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