0098 - Im Labyrinth der grünen Henker

strahlte grell. Doch es konnte das dämmrige Verlies trotzdem nicht erhellen. Es war, als würde sein Schein aufgezehrt und aufgesogen. Ein Dröhnen und Brausen ertönte, ein fernes Gebrüll.
    Das Licht veränderte sein Spektrum und wurde wie der Widerschein von schwefliger Glut. Zamorra tippte die Strahlenkrone Jaras mit den Fingerspitzen an. Er zuckte zurück, er hatte sich die Finger verbrannt.
    Er versuchte, Oguns Lanze zu nehmen. Aber er konnte sie nicht vom Fleck bewegen. Alonzo Gonzeiras lachte gellend auf.
    »Gleich verschlingt dich der Drache der Finsternis, Zamorra! Cumbacho! — Cumbacho, erscheine!«
    Und dämonische Stimmen riefen: »Sie werden vernichtet! Vernichtet! Vernichtet! Auf ewig sollen sie Qualen erleiden im Reich der Finsternis!«
    Die Kälte wurde intensiver. Zamorras Herz hämmerte. Er spürte etwas Grauenvolles, das sich näherte. Der Glanz seines magischen Amulettes ließ mehr und mehr nach. Der silberne Ring wurde glühend heiß und verbrannte Zamorra den Finger. Er streifte ihn ab und warf ihn weg. Gonzeiras nahm den Ring. Er triumphierte.
    Da trat Evita Arajo zu den Insignien der Götter. Sie hatte den dunkelgrünen Kapuzenumhang abgelegt. Mit ihrem blauen Kostüm und den goldenen Ohrringen wirkte sie etwas merkwürdig in dieser Umgebung.
    Sie streckte die Hände nach Jaras Strahlenkrone aus.
    »Versuch, es nur, Närrin!« kreischte Alonzo Gonzeiras. »Berbrenn dir nur die Pfoten!«
    Evita Arajo nahm die Strahlenkrone, an der kostbare Juwelen schimmerten, und setzte sie auf. Ihr Gesicht veränderte sich. Die Krone glänzte wie eine Sonne. Evita Arajo hatte jetzt etwas Überirdisches an sich. Sie richtete sich kerzengerade auf, und ein heller Glanz strahlte von ihrer Haut aus.
    Hoheitsvoll stand sie da. Wie eine Königin. Wie eine Göttin! Alonzo Gonzeiras starrte fassungslos.
    »Ich bin Jara, die Meeresgöttin, Göttin des Lichts, der Güte, der Liebe und der Fruchtbarkeit. Aber auch ich kann strafen und vergelten, Gonzeiras, Verräter, Verfluchter!«
    Ein helles Funkeln ging von der Strahlenkrone der Göttin aus. Zamorras Amulett gewann wieder an Leuchtkraft. Alonzo Gonzeiras aber krümmte sich.
    »Das ist nicht wahr«, stöhnte er. »Du bist im Labyrinth.«
    »Nein. Ich wollte nicht auf dein Verlangen eingehen, meine Strahlenkrone abzulegen und alle göttlichen Kräfte und Fähigkeiten aufzugeben. Ogun und Bara bestanden darauf. Doch ich löste zumindestens meinen Geist vom Körper. Als der Körper betäubt niedersank, entwich mein Geist in übernatürliche Dimensionen. Nur eine geistlose Hülle blieb. Doch ich wäre im Jenseits gefangen gewesen, wenn, nicht jene Seance in Rio de Janeiro stattgefunden hätte. Ich erhielt wieder Kontakt zu dieser Welt und den Menschen, und ich übernahm den Körper eines Mädchens aus Rio de Janeiro. Mein Körper ist verloren, sie aber ist mit der Göttin Jara verschmolzen.«
    »Nein!« brüllte Gonzeiras. »Nein, nein, nein! Cumbacho, hilf mir, greif ein!«
    »Meine Fähigkeiten waren gering genug, mein Körper sterblich«, fuhr die Macumba-Göttin fort. »Doch dank Zamorras Hilfe habe ich meine Strahlenkrone wiedererlangt. Du aber, Alonzo Gonzeiras, dir sage ich, geh zu jenem, mit dem du dich verbündet hast! Geh ein in die Dimensionen der Finsternis zu Cumbacho, der dich auf ewig quälen soll!«
    Die Macumba-Göttin deutete auf Alonzo Gonzeiras. Ein Blitz zuckte aus ihren Fingern. Gonzeiras schrie auf, und dann wurde er in den dunklen Fleck hineingerissen. Er ruderte mit den Armen, doch das nutzte ihm nichts. Er verschwand.
    Ganz nahe gellte jetzt ein furchtbares Gebrüll. Die dämonischen Stimmen kreischten. Das düstere Licht strahlte in verschiedenen Farbtönen.
    Jara trat zu Zamorra und berührte seine Stirn.
    »Nimm die Rüstung, die Lanze, die Flügel und den Stab, Meister des Übersinnlichen«, sagte sie. »Ich werde dich zu Ogun und Bara versetzen, wo du noch einen Kampf bestehen mußt. Ich gehe, denn ich muß Cumbacho hinhalten, bis Ogun mit seinen Waffen erscheint. Nur er kann den Drachen der Finsternis überwinden. Du aber, Zamorra, sollst, wenn alles vorbei ist, zu den Macumba-Göttern gehören, denn du hast es verdient.«
    Der Fleck an der Wand fing an zu glühen. Es war keine Zeit zu verlieren. Zamorra packte Rüstung, Lanze, Stab und Flügel, die sich jetzt leicht bewegen ließen. Ein Gebrüll, das Zamorras Trommelfelle hätte bersten lassen, ertönte.
    Eine Flammenzunge zuckte aus der Wand.
    Aber Zamorra und die Macumba-Göttin waren