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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ich mir, aus der altbekannten Angst durchzufallen:
    »Na klar bin ich durchgefallen! Ich bin ja auch gar nicht erst hingegangen!«
    Anschließend, in der unwirklichen Zeit bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse, über deren katastrophales Ausfallen wir uns alle keine Illusionen machten, begann ich erneut in größerem Stil zu stehlen. Meine Mutter hatte sich an die Plünderungen ihrer Handtasche gewöhnt, Gott allein weiß, wie sie es manchmal noch fertigbrachte, mich anzusehen, zumal mir vor mir selbst ekelte, zwar nicht so stark wie in diesem Moment, aber immerhin.
    Ich hing immer noch zu Hause fest, genau wissend, daß ich zu meinem achtzehnten Geburtstag Ende August ohne A-Levels dastehen würde, ohne Freunde, ohne Ziel und allein mit der Aussicht, zum ewigen Versager und zur gescheiterten Existenz herabzusinken. Ich hatte damit begonnen, in King’s Lynn gelegentlich die öffentlichen Toiletten, in der Schwulenszene als Klappen bekannt, aufzusuchen, und konnte mir allenfalls eine Zukunft als Hilfsbibliothekar in irgendeinem Pißkaff vorstellen, der sich ab und an auf einem öffentlichen Pissoir einen blasen läßt. Alle vier oder fünf Jahre würde ichirgendwo im Knast landen und zuletzt mit dem Kopf im Gasherd enden. Damals wie heute kein so außergewöhnliches Schicksal. Das Leben kann einen mit unendlichen Reichtümern überschütten, aber es kann gegenüber denen, die sich aufgegeben haben, auch unerbittlich grausam sein. Den Göttern sei Dank, daß es so etwas wie Erlösung gibt, die einem in dem Augenblick durch seine Mitmenschen zuteil wird, da man bereit ist, an ihre Existenz zu glauben.
    Ich erinnere mich an eine Folge von Raumschiff Enterprise , bei der Jim sich am Schluß zu McCoy dreht und sagt: »Da draußen, Pille, sagt jemand die drei schönsten Worte des Universums.« Ich war fest darauf gefaßt, das gänzlich abgeschmackte »Ich liebe dich« zu hören, doch Kirk wandte sich dem Bildschirm zu, blickte auf die Sterne und flüsterte:
    »Bitte helft mir.«
    Eigenartig, wie gut Billigfernsehen sein kann.
    In meinem Denken kam so etwas wie der Ruf nach Hilfe nicht vor. Ich hatte mich, von meinen Eltern mit quälender Resignation hingenommen, arbeitslos gemeldet und machte mich in jenem Juli mit einem Giro-Scheck in der Tasche zu einer letzten Paradox-Party auf nach King’s Lynn, um anschließend mit Jo Wood zu einem Campingurlaub in Devon aufzubrechen.
    Nach Booton würde ich als verurteilter Straftäter zurückkehren.

2.
    Die vielleicht schändlichste meiner unzähligen Schandtaten in den folgenden Monaten bestand darin, aus der Handtasche der Großmutter jenes jungen Mannes, bei dem die Paradox-Party stattfand, die Rentenbezüge zu stehlen. Es dürfte nur wenige noch gemeinere Verbrechen geben, und nichts, was ich hier zu Papier bringe, kann den Schmerz und die Wut der Familie über diese Tat besänftigen, lindern oder beschönigen.
    Ich fuhr mit dem Zug nach Devon, wo ich zur Einlösung des Giro-Schecks die entwürdigende Prozedur eines Anrufs bei meiner Mutter über mich ergehen lassen mußte, und brach von dort mit Jo Wood zu einer Wanderung in der Gegend von Chagford und anderen idyllischen Flecken auf, bis Jo nach Sutton Coldfield zurückmußte.
    Ich begleitete ihn dorthin. In den nächsten zwei Monaten irrte ich auf der Suche nach irgendeinem Anknüpfungspunkt in meiner Vergangenheit, der mir Aufschluß über meine Zukunft geben konnte, ziellos durch die Gegend.
    Was zweifellos eine sehr seltsame Art ist, die nachfolgenden Ereignisse zu beschreiben.
    Eine mehr als seltsame Art sogar.
    Wahr ist allerdings, daß ich mich in den nächsten zwei Monaten auf dem Weg nach Chesham befand, das ich unbedingt wiedersehen wollte, weil ich mich nur noch vage an das Dorf erinnerte, seit meinem siebten Lebensjahr nicht mehr dort gewesen war und es mich jetzt wie ein Magnet anzog. Ich fuhr nach Yorkshire und blieb ein paar Tage bei Richard Fawcett und seiner Familie. Anschließend reiste ich weiter nach Uley, besuchte Schwester Pinder, die Angus-Mädchen und das Pony Cloud, das immer noch lebte, wobei seine milchgraue Wampe mittlerweile fast bis zum Boden reichte. Zuletzt fuhr ich zum Rockfestival nach Reading, weil ich gehört hatte, Matthew wäre auch dort. Ich wußte, Matthew war nicht mehr der alte Matthew, der eigentliche Matthew, aber ich wollte den alten Spuren folgen, und vielleicht wollte ich ihn auch einfach nur sehen, um mir alles von der Seele zu reden.
    Eine weniger seltsame Art, die Ereignisse zu

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