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01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut

Titel: 01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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knabenhaft kurzen dunklen Haar und den übergroß wirkenden Augen in dem mageren Gesicht, wirkte sie ätherisch und trotz ihrer Krankheit jünger als sie war.
      Sie setzte den Wasserkessel auf und stieß, an die Küchenspüle gelehnt, das Fenster auf, um in den Garten hinauszublicken.
      Sie wurde nicht enttäuscht. Der Major patrouillierte in seiner Uniform - ausgeleierte graue Wolljacke und alte Flanellhose - mit der Gartenschere in der Hand durch das kleine Hintergärtchen, bereit, jedem aufmüpfigen Zweiglein sofort den Garaus zu machen. Er sah zu ihr hinauf und hob grüßend die Schere. Jasmine rief: »Tee?«, und als er zustimmend nickte, kehrte sie an den Herd zurück und widmete sich mit ganzer Aufmerksamkeit dem Ritual der Teezubereitung.
      Sie trug die Tassen zur Treppe, die von ihrer Wohnung in den Garten hinunterführte. Der Major hatte die Souterrainwohnung und betrachtete den Garten als seine Domäne. Sie und Duncan, der über ihr wohnte, waren nur privilegierte Außenseiter. Die Holzdielen der obersten Stufe drückten hart gegen ihre Knochen, als sie sich vorsichtig niedersetzte.
      Der Major kam die Stufen herauf und setzte sich neben sie. Mit einem Brummen nahm er seine Tasse in Empfang.
      »Herrlicher Tag«, sagte er anstelle eines Dankesworts. »Wäre schön, wenn es eine Weile so bliebe.« Er trank von seinem Tee. »Geht’s Ihnen gut heute?« Er sah sie nur eine Sekunde lang an, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf Narzissen und Tulpen richtete.
      »Ja«, antwortete Jasmine lächelnd.
      Der Major war nun einmal kein gesprächiger Mensch. Diese lakonischen Bemerkungen waren seine Art des Monologs, und diese immer gleiche Frage war die einzige Anspielung, die er je auf ihre Krankheit machte.
      Sie tranken schweigend. Der Tee und die Spätnachmittagssonne wärmten sie beide. Schließlich sagte Jasmine: »Ich glaube, ich habe den Garten nie so schön gesehen wie in diesem Frühjahr, Major. Kommt das daher, daß ich jetzt alles bewußter wahrnehme, oder ist er dieses Jahr wirklich schöner?«
      »Hm«, brummte er in seine Tasse und räusperte sich dann in Vorbereitung auf das schwierige Geschäft des Antwortgebens. »Könnte sein. Das Wetter war ja wirklich gut.« Stirnrunzelnd zog er seine Finger über die Spitzen der Gartenschere, um zu prüfen, ob sich irgendwo Rost festgesetzt hatte. »Aber die Tulpen sind fast verblüht.« Und die Tulpen durften auch nicht über die Hochzeit ihrer Blüte hinaus verweilen. Beim ersten gefallenen Blütenblatt würde ihnen der Major mit einem schnellen gnädigen Schnitt den Kopf vom Stengel trennen.
      Jasmines Mund zuckte bei dem Gedanken - zu schade, daß ihr niemand einen solchen Dienst erweisen konnte. Sie selbst war vor ihrem letzten Entschluß zurückgeschreckt - ob aus Kleinmütigkeit oder Mut hätte sie nicht sagen können. Und Meg - es war zuviel verlangt gewesen, sie hatte nicht das Recht gehabt, sie darum zu bitten. Jasmine verstand jetzt nicht mehr, wie sie überhaupt auf einen solchen Gedanken hatte kommen können.
      Als Meg heute gekommen war, hatte sie noch verhuschter ausgesehen als sonst, und ihre breite Stirn war von Sorgenfalten durchfurcht gewesen. Jasmine hatte ihre ganze Kraft gebraucht, um Meg davon zu überzeugen, daß sie es sich anders überlegt hatte, und dabei hatte sie ständig das Ironische der Situation gesehen. Sie war diejenige, die sterben mußte; aber Meg brauchte den Trost.
      Sie konnte Meg nicht erklären, was in der Nacht mit ihr vorgegangen war. Sie wußte nur, daß sie bei ihrer schnellen Annäherung an den Tod einen Meridian überschritten hatte. Die Schmerzen machten ihr keine Angst mehr. Mit dem Annehmen ging die Fähigkeit einher, jeden Moment bewußt zu erleben und auszukosten, und eine ganz neue innere Zufriedenheit.
      Die Sonne ging hinter dem behäbigen viktorianischen Haus jenseits des Gärtchens unter, und innerhalb eines Augenblicks wurde der goldene Schimmer seiner Mauern von kaltem Grau verdrängt. Die Luft lag plötzlich kühl auf Jasmines Haus, und sie hörte gedämpft den Verkehrslärm vom Rosslyn Hill, Zeugnis, daß noch immer betriebsames Leben sie umgab.
      Der Major stand ächzend auf. »Ich mache besser weiter. Es wird bald dunkel sein.« Er neigte sich zu Jasmine herunter und half ihr so mühelos auf die Beine, als hätte sie überhaupt kein Gewicht. »Hinein mit Ihnen. Nicht daß Sie sich eine Erkältung holen.«
      Jasmine hätte beinahe gelacht über die

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