0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
Akkumulationsmöglichkeiten. Manche von ihnen steigen selbst in die eigentliche Geldelite auf, werden also zu Milliardären – aber erstaunlicherweise gar nicht so viele, obwohl High Tech und High Finance die Mobilität drastisch erhöht haben. Von ihren Vermögensverhältnissen her gehören sie auf jeden Fall zu unseren 0,1 Prozent. Ihr Dienstklassenstatus drückt sich darin aus, dass sie, im Gegensatz zur Geldelite, entlassen werden oder »stürzen« können. Je nach Loyalität gegenüber ihren jeweiligen Herren (den großen Investoren und Anteilseignern) kooperieren oder konkurrieren sie untereinander. Sie haben nicht unbedingt ein einheitliches strategisches Bewusstsein (wie man es traditionellerweise etwa der »Kapitalistenklasse« zuschrieb). Was sie verbindet, ist die Maxime der kurzfristigen Gewinnsteigerung auf der Basis der neoliberalen Ideologie.
Den nächsten Funktionsring bilden die politischen Eliten . Man kann sie als die Spezialisten der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums bezeichnen. Alle Parlamente, alle Regierungen haben – zumindest aus der Sicht des Geldelite – die Funktion, für die Verteilung des Reichtums von unten nach oben zu sorgen. Anders ausgedrückt:Die Geldmächtigen wirken durch Lobbyismus und Korruption in das gesamte Feld der politischen Eliten hinein, das dadurch hochgradig differenziert und konfliktualisiert wird. Auch viele Spitzenpolitiker und vor allem Expolitiker können sich noch zu dem 0,1 Prozent zählen. Aufstiege in die Geldelite aber sind äußerst selten. Dagegen begeben sich Angehörige der Geldelite immer öfter in die Regionen der Politik und beteiligen sich direkt an den Verteilungskämpfen.
Die bei weitem größte Gruppe allerdings bevölkert den Außenring unserer Festung: die Funktions- und Wissenseliten aller Art, von Wissenschaftlern über Techno- und Bürokraten bis zu den Wohlfühleliten der Medien, der Kultur, des Sports. Sie alle sind für den Erhalt des Gesamtsystems unerlässlich. Zugleich sind hier die Übergänge zu den 99 Prozent fließend. In diesem Außenring setzt sich in allen seinen Bereichen ein Rankingsystem durch, das die Angehörigen dieser Gruppen nach ihrer Nützlichkeit für die ökonomischen, sozialen und kulturellen Interessen der Geldelite bemisst. So können auch aus diesen Kreisen einzelne in die Ränge des einen Prozents aufrücken, doch kaum aber höher (Ausnahmen wie die dot.com-Milliardäre bestätigen die Regel).
Was hier so harmlos und spielerisch klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Es geht ja letztlich um die Veranschaulichung des Kerns der ganzen Geschichte, der Herrschaft der wenigen über die vielen. Dass hier alles im Fluss ist, spüren, lesen, hören wir jeden Tag. Und da ist es nicht überraschend, wenn im Kernland der Machteliten, in den USA, in der Analyse dieser »Klassenfrage« seltsame Bündnisse entstehen. Die beiden folgenden Kronzeugen schreiben ihre regelmäßigen Kolumnen zwar beide im Stammblatt des Ostküsten-Establishments, der New York Times , aber sie verkörpern in diesem Milieu üblicherweise gegensätzliche – einmal konservative, den traditionellen Republikanern nahestehende, einmal linksliberale, keynesianische – Positionen: David Brooks und Paul Krugman. Ihre Beiträge über die Superreichen, am gleichen Tag erschienen, werfen ein ganz aktuelles Licht auf das schwarze Loch in unserer Ringburg.
Da schreibt David Brooks unter dem Titel »Why Our Elites Stink« 29 : »Im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert nahm dasprotestantische Establishment die Spitze der amerikanischen Herrschaftsstruktur ein. Ein relativ kleines Netzwerk weißer Protestanten dominierte an der Universitäten, in der Finanzwelt, in den lokalen Country Clubs und in den höheren Etagen des öffentlichen Dienstes. In den letzten fünfzig Jahren aber ist das protestantische Establishment allmählich von einer facettenreicheren, meritokratischen Elite verdrängt worden. Es ist heute eher möglich, aufgrund guter Noten, Testergebnisse und durch Fleiß und Leistung aufzusteigen. Aber diese Meritokratie hat ihr Versprechen nicht eingelöst.«
Brooks zitiert den jungen Publizisten Christopher Hayes 30 : »Um ihren Status zu bewahren, sind sie korrupt geworden. Sie haben extrem ungleiche gesellschaftliche Verhältnisse geschaffen, die verhindern, dass andere nach ihnen die Leitern erklimmen. Meritokratie hat zur Oligarchie geführt. Statt das fairste aller Systeme zu sein, fördert Meritokratie gigantische Ungleichheit
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