0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
Investmentbanker, Eric Packer, der sich in der absoluten Privatheit seiner Stretchlimousine durch die Sinnlosigkeit seines Daseins kutschieren lässt (und damit eine Facette des postmodernen Superreichtums verkörpert). Vom Privatarzt, der ihn im Fahrzeug untersucht, bis zur Geliebten und sogar einer philosophischen Beraterin konsumiert Packer alles Menschliche und tendenziell Unmenschliche – weil es eigentlich nichts gibt, was er nicht konsumieren könnte. Seine Bodyguards warnen davor, dass ihn ein Mörder verfolgt. Dieser potentielle Attentäter weiß scheinbar genau über Packers Bewegungen Bescheid. Packer fühlt sich unter konstanter Beobachtung und Bedrohung. Also will Packer, um die eigene vermeintliche Allmacht zu testen, auch diesen Stalker »konsumieren«. Er spürt seinen Verfolger in einem völlig verwahrlosten Apartment voller Bücher und Abfall auf. Und siehe da, seine Nemesis ist offenbar die exakte Kopie jener Figur,mit Handtuch, mit Murmelei, die David Rothkopf von sich selbst in seinem Nachwort zeichnet.
David Cronenberg muss in der Vorbereitung der Dreharbeiten Rothkopfs Buch sehr genau gelesen haben. Der »Rothkopf« des Films, so stellt sich heraus, ist ein ehemaliger Mitarbeiter der Investmentfirma des Protagonisten. Am Schluss des Films stehen einander der in seinen eigenen Abgründen versinkende Milliardär und seine Nemesis mit gezückten Pistolen gegenüber. Cut. Das Ende ist offen. So steht es zwischen den Milliardären und ihren intellektuellen Beobachtern. Die Zahl der Berichte aber aus diesem Milieu nimmt zu.
Angesichts meines Themas hätte ich mich über viele Buchseiten mit Rothkopf auseinandersetzen können und wäre vom Hundertsten ins Tausendste gekommen. Es muss deshalb ganz klar sein, dass mein Gegenstand einzig und allein die Superreichen sind, die im Kanon der »Superklassen« eine ganz bestimmte Position einnehmen, die sie von allen anderen unterscheidet. Es geht um die Dialektik der absoluten Privatheit des Superreichtums und der aus dieser dunklen Zone heraus möglichen unkontrollierbaren Ausübung von Macht. Dieser Aspekt der Privatheit spielt übrigens in David Rothkopfs neuestem Buch, Power Inc. , eine größere Rolle, steht aber auch dort nicht im Zentrum. Fast immer finden wir einen Begriff von Machtelite, der die verschiedenen Funktionen im Macht- und Herrschaftsgefüge allzu eilfertig vermischt. Und wenn man sich erst einmal bei Bill Clinton oder Angela Merkel oder Mario Monti festgebissen und diese Halbmächtigen in die »Superklasse« aufgenommen hat, bleibt beispielsweise für Carlos Rodriguez-Pastor, Alain Taravella oder Günther Fielmann – Milliardäre, die nicht einmal auf den Forbes -Listen erscheinen – kaum noch Raum. 24
Die Konzentration an der Spitze der Reichtumspyramide aber ist es, die interessiert. Die Mechanismen dahinter sind seit langem bekannt. So schrieb Doug Henwood 1997 über das US-amerikanische Finanzsystem, einerseits erfülle es »seine angebliche Aufgabe, die Ersparnisse der Gesellschaft in Richtung der besten Investitionen zu lenken, nur höchst kümmerlich. Das System ist wahnsinnig teuer, gibt eigentlich falsche Signale zur Lenkung derKapitalströme und hat überhaupt kaum etwas mit wirklicher Investitionstätigkeit zu tun. Auf der anderen Seite aber macht der Finanzmarkt eines sehr gut: Er bewirkt die Konzentration von Reichtum. Der Mechanismus ist einfach: Mit Hilfe staatlicher Verschuldung werden Einkommen von unten, von den einfachen Steuerzahlern, nach oben zu den reichen Bondholders, verschoben. Statt die Reichen zu besteuern, borgt die Regierung von ihnen und bezahlt für dieses Privileg auch noch Zinsen. Auch die Konsumentenkredite bereichern die Reichen; wer bei stagnierenden Löhnen und Gehältern seine VISA-Karte benutzt, um über die Runden zu kommen, füllt mit jeder Monatsrate die Brieftaschen der Gläubiger im Hintergrund. Unternehmen des produktiven Sektors zahlen ihren Aktionären Milliarden an jährlichen Dividenden, statt ins Geschäft zu investieren. Kein Wunder also, dass der Reichtum sich auf spektakuläre Weise immer mehr ganz oben zusammenballt.« 25
Und was geschieht nun da ganz oben? Ein einheitliches Machtbewusstsein dieser Nutznießer entwickelt sich erst allmählich. Viele Einflüsterer aus den verschiedenen Diensteliten arbeiten daran. Was dieses eine Prozent im Innersten zusammenhält, ist – wie in DeLillos Roman und Cronenbergs Film – vorerst nur die absolute Sinnlosigkeit dieser privat
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