0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
akkumulierten Kapitalmengen. Diese Formen des Kapitaleigentums sind sozusagen Antimaterie, die in der Welt der Materie an nichts bindet und alles erlaubt. »Eigentum verpflichtet« als rechtliche Norm wird hier zur Lachnummer, auch wenn viele dieser Individuen, die ja nicht aus ihrer sozialen und kulturellen Haut können, »Verpflichtungen« (pledges) aller Art übernehmen. Doch eher entsteht hier ein virtuelles »Imperium der Milliardäre«, das nicht wie bei Rothkopf auf 6 000 Köpfe eingrenzbar ist. Und da geht einem die soziologische Imagination schon mal durch.
»Evolvieren die Reichen zu einer anderen Spezies?«, fragt Robert Frank in seinem Wall-Street-Journal -Blog. Futurologen wie Paul Saffo sagten angesichts der schnellen Fortschritte in der Biotechnologie voraus, dass bald selbsterzeugte Ersatzorgane, spezielle Medikamente, Roboter und künstliche Gliedmaßen das Leben erheblich verlängern werden. Aber diese Fortschritte werden sich nur die Superreichenleisten können. Und damit stelle sich die Frage nach einer Zukunft, in der zwischen den Klassen eine biologische Kluft aufbricht und in der sich die Superreichen zu einer völlig neuen Spezies entwickeln, die zwanzig Jahre länger lebt, länger aktiv ist, noch mehr Reichtum akkumulieren kann und diese Vermögen und die damit verbundene Macht noch folgenreicher als bisher auf ihre Nachkommen überträgt. 26
Eigentumsformen des Kapitals
Über Milliardäre, Imperien, Weltordnungen zu reden nützt aber nichts, wenn wir nicht zugleich auch die bereits erarbeiteten Einsichten in Formen und Strukturen des dahinterstehenden Kapitaleigentums berücksichtigen würden. Die Varianten der Verfügung über die materiellen und ideellen Werte dieser Welt sind ungeheuer vielfältig geworden und verführen dazu, das dahinterstehende »Kapital« aus den Augen zu verlieren. Doch alle diese durch den Globalisierungsprozess noch beschleunigten Verwandlungen von Kapital lassen sich im Kern auf das Privateigentum an den Mitteln, die diese (Welt)Gesellschaft in Gang halten, zurückführen. In allen Kapiteln dieses Buchs verfolgen wir Spielarten, Derivate, Zukunftserwartungen dieses Prozesses. Aber gerade um die dabei zutage tretenden Differenzierungen und Auflösungen zu verstehen, braucht es einen ›ruhigen‹ Ausgangspunkt. Den bietet das nachfolgende Schema (Seite 38/39). 27
Alle wichtigen Stichworte und Dynamiken dieses Zusammenhangs der Eigentumsformen finden sich in diesem Schema. Zum Verständnis: Hier sind Typen des Reichtums, sich daraus ergebende ganz unterschiedliche Machtmechanismen und schließlich die Wirkungen dieser Eigentumsformen und Machtmechanismen auf die Gesamtgesellschaft zusammengestellt. Hinzu kommt der Hinweis auf verschiedene Akteursgruppen – von den »Superreichen« über die »Funktionseliten« bis zu den übrigen »Klassen«, die das jeweilige Feld »bearbeiten«. Viele der Stichworte wecken sofort Assoziationen, über andere muss man ein wenig nachdenken.
Wie alle Schemata simplifiziert auch dieses die Sachverhalte. Dennoch hält es fest, dass, wenn wir in der Soziologie von »Kapital« sprechen, durchaus unterschiedliche »Kapitalsorten« zur Debatte stehen. Hier sind die klassischen, von Karl Marx erschlossenen Kapitalsorten unter der Überschrift »ökonomisches Kapital« zusammengestellt: also Geldvermögen, Industrievermögen, Grund- und Bodeneigentum und schließlich Konsumvermögen. Hinzugekommen aber sind, unter anderem dank des Soziologen Pierre Bourdieu, weitere Kapitalformen, die zwar mit den ökonomischen Kapitalformen zusammenhängen und durch diese bedingt sind, die aber zugleich eine eigene soziale und kulturelle Gestalt verkörpern und deshalb auch so bezeichnet werden können. Sie deuten aber auf eine durchaus neuartige »Vielfalt in der Einheit«, eine neue gesellschaftliche Totalität, in der es unmöglich geworden ist, alles auf die einfachen Produktionsvorgänge an der »Basis« zu beziehen – oder in der, wie schon gesagt, Basis Überbau und Überbau Basis geworden ist. Und für diese historische Stufe steht der »Finanzkapitalismus«. Der wuchert eben nicht nur mit den Banken, sondern auch mit den Schulen und mit dem gesellschaftlichen Leben.
Ganz anders geht das Schema einer »Ringburg« vor, das meine Überlegungen zu einem »Imperium der Milliardäre« wesentlich bestimmt hat. Dieses Modell versucht die Wege anzudeuten, die von den 99 Prozent zu den 0,1 Prozent und 0,01 Prozent führen, von denen dieses Buch
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