0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
und ist von Grund auf dysfunktional.«
Der konservative Brooks sieht das etwas differenzierter und hält dagegen: »Hayes’ Argumentation fordert heraus, aber sie ist falsch. Ich würde sagen, dass die heutigen meritokratischen Eliten nicht so sehr korrupt als vielmehr überehrgeizig und höchst dizipliniert sind. Ihre Kinder wachsen in durchorganisierten Familienverhältnissen auf. Sie wenden enorm viel Zeit und Geld für die kulturelle Bereicherung ihres Lebens auf. Die Korruption, die sich in die Welt der Finanzen und in andere Professionen eingeschlichen hat, ist nicht endemisch für Meritokratie als solche, sondern für eine bestimmte Form der Meritokratie. Das Problem ist, dass die heutigen meritokratischen Eliten nicht zu der Tatsache stehen, dass sie eine Elite sind.«
Brooks will also den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, die ›neuen Eliten‹ zu ›alten Eliten‹ machen. Denn, so Brooks, »das protestantische Establishment besaß eine Mentalität der Verantwortung, sie wussten, dass sie nur die Wärter von Institutionen waren, welche viele Generationen umspannten. Sie haben auf oft grausame Weise diejenigen geächtet, die sich nicht gentlemanlike verhielten. Die heutigen Eliten mögen talentierter sein, aber ihnenfehlt ein selbstbewusster Führungskodex. Ihre Sprache der Meritokratie hat die Sprache der Moral verdrängt. Diese Leute sind Gören (brats).« 31
»Gibt’s einen VIP-Eingang? Wir sind VIPs!« Mit diesem überhörten Satz leitet Paul Krugman seine Vignette über die neuen Reichen ein und schreibt: »Diese Bemerkung eines Spenders anlässlich einer Benefizveranstaltung für Mitt Romney resümiert ziemlich genau die Attitüde der reichen Elite in den USA. Romneys Basis – und wir reden nicht von dem oberen einen Prozent, sondern von dem 0,01 und weniger Prozent – besteht aus sehr eingebildeten Leuten. Sie glauben vor allen Dingen, dass sie der Motor der Wirtschaft sind, dass man sie wertschätzen sollte und dass die Steuern, die sie zahlen (schon jetzt die seit achtzig Jahren niedrigsten), noch weiter gesenkt werden sollten. Dieser ›wir sind die VIPs’-Haufen hat die moderne Republikanische Partei voll im Griff bis zu der Überzeugung, dass Romneys eigene steuervermeidende Offshore-Transaktionen in Multimillionenhöhe nicht nur akzeptabel, sondern lobenswert sind. ›Es ist echt amerikanisch, auf legale Weise keine Steuern zu zahlen‹, erklärte der republikanische Senator Lindsay Graham aus South Carolina.« 32
Krugman fürchtet, dass diese politischen Vorgaben nicht so schnell verschwinden werden, und argumentiert: »Zunächst muss man wissen, dass Amerika nicht immer so war. Als John F. Kennedy gewählt wurde, besaß das oberste 0,01 Prozent im Vergleich zu einer Durchschnittsfamilie etwa ein Viertel des gesamten Reichtums. Und sie zahlten viel höhere Steuern als heute. Und trotzdem war das irgendwie eine sehr dynamische, innovative Ökonomie, um die uns die Welt beneidete. Die Superreichen mögen glauben, ihr Reichtum sei es, der die Welt bewegt. Aber die Geschichte belehrt uns eines Besseren. Viele der heutigen Superreichen, einschließlich Romney, haben ihr Geld im Finanzsektor gemacht, sie haben Vermögenswerte gekauft und verkauft, statt Unternehmen im altmodischen Sinne aufzubauen. Noch vor gar nicht so langer Zeit erzählte man uns, dass diese ganze Schacherei für uns alle gut sei, dass dadurch die Wirtschaft effizienter und stabiler würde. Stattdessen stellt sich heraus, dass dieses moderne Finanzwesen Ausgangspunkteiner schweren ökonomischen Krise mit Folgen für Millionen Amerikaner geworden ist und dass die normalen Steuerzahler den scheinbar so brillanten Bankern aus der Patsche helfen müssen, um noch Schlimmeres zu verhindern. So müssen zumindest einige unter diesen 0,01 Prozent als Jobzerstörer und nicht als Jobbeschaffer gesehen werden.« 33
Krugman schließt: »Sind also die Superreichen die VIPs? Nein, mitnichten – jedenfalls mit nicht weniger Berechtigung als alle arbeitenden Amerikaner. Und diese normalen Leute werden leiden, bekommen wir eine Regierung von den 0,01 Prozent durch die 0,01 Prozent für die 0,01 Prozent.« 34
Eine praktische Lehre aus solchen Meinungsäußerungen des Mainstreams, die neu bei Brooks und sogar bei Krugman sind, lautet: Man muss das 0,1 Prozent, das 0,01 Prozent erst einmal sehen lernen. Auch bei uns.
Richistan 35
Wir hören ja in den deutschen Verteilungsdebatten immer wieder, dass Reichtum schon bei
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