0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
alles verblasst noch immer hinter Zahlen wie der, dass es schätzungsweise 25 000 europäische ultra-high-net-worth individuals (UHNWIs) mit einem frei verfügbaren Geldvermögen von mehr als dreißig Millionen Euro gibt. Und weltweit sind es selbst im 26. Jahr der extrem zurückhaltenden Zählungen von Forbes nunmehr 1 226 Milliardäre mit einem Gesamtvermögen von 4,6 Billionen Dollar, was zum Beispiel dem Bruttosozialprodukt Deutschlands entspricht. 20 Und das ist nur die Spitze eines formidablen Eisbergs.
Wie diese Personen zusammenwirken, ist weitgehend unerforscht. Die sozialempirische Annäherung an die Geldelite ist schwierig. Die seriöse Forschung – abhängig, wie sie von »Drittmitteln« ist – lässt die Finger davon, so dass es vor allem Journalisten, kleine Teams von Außenseitern oder besessene einzelne sind, die Licht in diese Schicht zu bringen versuchen. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Vermögenden selbst verstärkt an ihrem öffentlichen Image zu basteln beginnen. So fallen doch ständig Informationen an, die Auskunft über die wirklichen Großverdiener unserer Zeit geben. Besonders einfallsreich und intensiv haben sich – zumindest eine Zeitlang – Rechercheure der britischen Wochenzeitung Sunday Times bei der Erforschung der Reichen ihres Landes ins Zeug gelegt. Dabei sind eine Fülle von Ranglisten entstanden: Die am schnellsten wachsenden Vermögen, Die größten politischen Spender, Die reichsten Frauen, Millionäre aus der Filmbranche, aus Medien und Musikgeschäft, Fußballmillionäre, Goldman-Sachs-Millionäre und so weiter.
Solche Listen sind inzwischen etwas rarer geworden (was den wachsenden kontrollierenden Einfluss dieser Schichten auf solcheVeröffentlichungen zeigt). Immerhin hat die Sunday Times aus ihren Rechercheerfahrungen einige »rules of engagement« formuliert, die selbst schon Licht auf ihren Gegenstand werfen. Hier einige Kernsätze:
Der tatsächliche Umfang der Vermögen ist vermutlich viel größer als der ermittelte.
Identifizierbares Vermögen umfasst Grund und Boden, Immobilien, Aktieneigentum und auch Rennpferde und Kunst; dagegen kommen Rechercheure an die Bankkonten naturgemäß nicht heran.
Manche Reiche machen sich unsichtbar.
Viele Individuen wurden reich durch den Verkauf ihrer Unternehmen; hier kann der Wert allenfalls ansatzweise mit Hilfe von Steuerexperten ermittelt werden.
Das Gleiche gilt bei Erbschaften.
Nicht börsennotierte Privatunternehmen sind in ihrem Wert sehr schwer einzuschätzen.
Ähnliches gilt für Stiftungen, die für Familienmitglieder eingerichtet werden.
Bei der Einschätzung des Vermögens von Popstars helfen anonym bleibende Experten.
Gleiches gilt bei Kunstschätzen.
Viele neue, nicht börsennotierte Privatunternehmen lassen sich durch aufwendige Internetrecherchen, die Analyse von Bilanzen und so weiter ausfindig machen.
Nützlich ist ein Netzwerk lokaler Korrespondenten, zum Beispiel Verkäufer von Luxusautos.
Die Leser der Sunday Times sind aufgefordert, Informationen zu liefern.
Auf der Sunday-Times -Liste der hundert reichsten Europäer des Jahres 2006 rangierten noch die Gebrüder Karl und Theo Albrecht (Aldi, Deutschland) mit einem Vermögen von 27 Milliarden Euro an der Spitze, gefolgt von Ingvar Kamprad (Ikea, Schweden, 23,5 Milliarden Euro), Lakshmi Mittal (Stahl, Großbritannien, 21,9 Milliarden Euro), Bernard Arnault (Luxusgüter, Frankreich, 18 MilliardenEuro), Johanna Quandt und Familie (BMW, Deutschland, 17,5 Milliarden Euro) und so weiter. Inzwischen »verlässt« sich wohl auch die Sunday Times auf die Listen von Forbes , und die eigene Informationsbereitschaft hat erheblich nachgelassen. Unter den zehn reichsten Europäern finden sich 2012 drei russische Oligarchen und ein Ukrainer. Arnault bringt es inzwischen auf ein Vermögen von 31,5 Milliarden Euro, es folgen Amancio Ortega (Zara, Spanien, 27,2 Milliarden Euro), Stefan Persson (H & M, Schweden, 20 Milliarden Euro), Karl Albrecht (Aldi, Deutschland, 19 Milliarden Euro) und so fort. Die meisten Namen aus den alten Listen tauchen in neuer Mischung auf, aber es sind auch neue darunter. Dass bei manchen Verbindungen zum organisierten Verbrechen bestehen, bleibt hochwahrscheinlich.
Vor allem aber das große alte Geld (mit eigenem Vermögensmanagement) bleibt oft ungenannt im dunkeln. Noch immer finden sich außer dem Duke of Westminster und dem Prinzen Hans-Adam von Liechtenstein kaum Aristokraten auf der Hunderter-Liste. Das liegt daran, dass gerade
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