0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
öffentlich sind sie – weil sich in ihren dienenden Funktionen gesellschaftliche, technische, wissenschaftliche, kulturelle und so weiter Arbeitskompetenz entfalten muss – dem gesellschaftlichen Gesamtarbeiter verbunden. So wird auch plausibel, weshalb die berühmten Netzwerke der Macht, wie sie etwa vom Power Structure Research erschlossen werden, ihrerseits brüchig, fluid, also eben historische Gebilde sind.
Verwertungs- und Verteilungseliten
Ein Beispiel für das vernetzte Zusammenwirken von Finanzeliten und politischen Eliten ist die »Rettung« des Versicherungsgiganten American International Group (AIG). Die vom amerikanischen Steuerzahler aufgebrachte Auslösesumme allein für AIG übersteigt 160 Milliarden Dollar. Begründet wurden diese Maßnahmen seitens der US-Zentralbank (Federal Reserve System) und des Finanzministeriums mit dem Argument, dass ein Untätigbleiben der Regierung der gesamten Wirtschaft und den Steuerzahlern noch viel mehr Kosten aufgeladen hätte. In Wirklichkeit waren es aber nur ganz bestimmte Finanzkonzerne und -institutionen, die durch einen Kollaps der AIG real gefährdet worden wären. Wer also genau von den öffentlichen Rettungsaktionen profitierte, bei wem die Bail-out -Milliarden landeten, das wurde verschwiegen. Nur einige tief im Wall-Street-Milieu verwurzelte investigative Journalisten wiesen darauf hin, dass hinter der AIG sehr erfahrene Investoren standen, welche die Risiken hätten abschätzen können und die zuvor enorm von ihren Verbindungen zu diesem größten globalen Versicherer profitiert hatten. Diese Investoren hatten überdies im Vorfeld des Crash selbst undurchsichtige Rollen gespielt und wären deshalb möglicherweise sogar Schadenersatzklagen ausgesetzt gewesen.
Schon bei der ersten AIG-Rettungsaktion im Herbst 2008 war Goldman Sachs mit zwanzig Milliarden Dollar größter Handelspartner der AIG. Goldman hatte behauptet, dass die bei AIG eingegangenen Risiken durch andere Investitionen ausgeglichen ( hedged ) gewesen seien. »Sicher war aber nur, dass Goldman viele Freunde in der politischen und sonstigen Machthierachie hatte – ein Grundmehr, bei diesem Bail-out so transparent wie möglich vorzugehen.« 10 Aber nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil, Lloyd Blankfein, Goldmans CEO, war der einzige Wall-Street-Manager, der seinerzeit vom damaligen Chef der New Yorker Federal Reserve, Timothy Geithner, hinzugezogen wurde, um über die ursprüngliche Rettungsaktion zugunsten der AIG zu beraten.
Um das alles zu verstehen, muss man, wie die europäischen Banken selbst, den transatlantischen Blick pflegen: Nächst den Investmentbankern kämpfen derzeit die politischen Eliten um ihren Ruf, sofern sie innerhalb des Geldmachtkomplexes (oder in bezug auf ihn) agieren. Präsident Obama war in diesem Sinne eine Hoffnungsgestalt der politischen Klassen überall auf der Welt. Doch die dunkle, anonyme Seite der Macht hat sich sehr schnell und damit exemplarisch gegen die (illusionären) Hoffnungen auf eine Restituierung der Demokratie durch einen neuen Politikertypus durchgesetzt. »Präsident Obama hat einen enormen Fehler gemacht. Statt die Serienplünderer und ihre Reguliererkomplizen zur Rechenschaft zu ziehen, möchte er die Obligationen des Finanzsektors durch staatliche Garantien absichern und damit Verbindlichkeiten eingehen, die um ein Mehrfaches größer sind als die US-Wirtschaft insgesamt. Dies ist ein Ponzi-System von Dimensionen weit jenseits der Vorstellungskraft selbst eines Bernie Madoff. Kurz: Die Regierung bricht die Marktregeln des Kapitalismus, um die Rücksichtslosesten unter den Kapitalisten zu belohnen.« 11
Wissens- und Informatisierungseliten
Und dann die vielschichtige, differenzierte Gruppe der Experten, Technokraten, Medienleute, Wohlfühlspezialisten: Sie wird künftig das Arsenal der dirty tricks ausbauen müssen, schreibt der Wall-Street-Journal- Autor Paul B. Farrell. Wenn Wall Street wirklich wieder an die magischen Honigtöpfe herankommen will, müsse zunächst einmal auf Biegen und Brechen die Illusion eines neuen Aufschwungs erzeugt werden. In Washington bestimmen, so Farrell, rund 40 000 Lobbyisten, nicht etwa die 537 gewählten Abgeordneten und Senatoren, den Gang der Dinge. Die von diesen Gruppen und einem Heer von Spezialisten ausgebrüteten »tactics,schemes, scams, hustles, wheelings and dealings« lassen sich aktuell in folgenden Punkten fassen:
Blockade aller wirklichen Bewegung und Veränderung
keine Wiederbelebung
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