0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
heute bewegen. Das ist ein weites Feld. Auch ein Buch wie das vorliegende kann da nur Anregungen bieten, Materialien und Modelle. Aber es gibt ja noch die »soziologische Imagination«. Außerdem haben wir von einer bestimmten Theorietradition, der historisch-materialistischen, wenigstens eines gelernt: Always Historize! (Fredric Jameson)
Wem gehört die Welt?
Nach dem Ende des Kalten Krieges gab es die Hoffnung, dass Globalisierung, ob »von oben« oder »von unten«, die Welt friedlicher machen könnte. Das war die Hoffnung auch vieler Sozialwissenschaftler. Denn der Sinn sozialwissenschaftlicher Forschung besteht im wesentlichen in der Entwicklung friedlicher Formen der Konfliktaustragung. In diese Tradition hat sich auch ein bestimmtes Konzept »postmoderner« Kapitalismuskritik eingefügt. Diese Kritik hält zwar am Primat der Ökonomie (als dem Hauptfeld der Analyse) fest, berücksichtigt aber zugleich, dass in der Postmoderne in gewisser Weise Ökonomie Kultur und Kultur Ökonomie geworden ist. Damit wird eine Friedensidee aktualisiert, die auf Immanuel Kant zurückgeht und die allein einst die bürgerliche Zivilgesellschaft des weltweiten Handels und Wandels vor der Welt legitimierte. Diese Idee beinhaltete, dass ökonomische Interessengegensätze keinekriegerischen Konfliktlösungen mehr rechtfertigen; dass auch ökonomische Gegensätze kulturvoll ausgetragen werden können.
Die Attacken des 11. September 2001 auf World Trade Center und Pentagon – und alles, was daraus folgte – haben diese Hoffnungen zunächst einmal zunichte gemacht. Die Chancen einer Weltkultur der Einheit in Vielfalt wurden auf ein Minimum reduziert. Nicht nur die steinzeitlichen saudi-arabischen Terroristen, auch die Profitinteressen großer transnationaler Konzerne haben den Globalisierungsprozess wieder auf Öl und Geld reduziert. Der terroristische Akt legitimierte einen Schub der Globalisierung »von oben«, der durch immer komplexere Formen militärischer Gewalt gekennzeichnet ist.
Cartoon: Chappatte, 22. September 2001 8
Gleichwohl ist die Möglichkeit, ökonomische Konflikte friedlich (nicht unbedingt gemütlich) auszutragen, nun einmal in der Welt. Das müssen die mächtigen Global Players – die Klügeren und Stärkeren – zuallererst begreifen. Das ist der Test ihrer Stärke.
Der Spiegel fragte seinerzeit ahnungsvoll, wenige Monate vor dem 11. September 2001, auf einer Titelseite: »Wem gehört die Welt?« und entdeckte im »Kampf um den Global-Kapitalismus eine neue, erstmals wirklich internationale Protestgeneration. Sie heizt Politikern und Konzernchefs ein – und zwar zu Recht. Die globale Weltwirtschaft, mächtig und krisenanfällig zugleich, braucht neue Spielregeln.« 9
Aber da hatten sich die Spielregeln schon längst geändert. Die soziale Ungleichheit in der entwickelten Welt war dramatisch gewachsen.Die Reichen waren reicher als jemals zuvor. Und der »Global-Kapitalismus« war von unheimlichen, staatsfernen Herrschaftsstrukturen durchzogen. In den Airport-Buchhandlungen griff Dahrendorfs »globale Elite« nach den entsprechenden Thrillern: »Man stelle sich einen Konzern vor, so groß und mächtig, dass sein Jahresumsatz dem Bruttoinlandsprodukt Chinas entspricht. Ein Konzern also, der in der Lage ist, mit diesem Umsatz nach heutigem Marktwert die drei größten Aktiengesellschaften zu kaufen: General Electric, Royal Dutch Shell und Microsoft. Ein Konzern, der im gleichen Jahr aus seiner Portokasse auch noch Coca-Cola erwerben könnte. Ein Konzern, dessen Zehn-Tage-Umsatz die gesamten Rücklagen der fünfzig größten Banken ausmacht. Einen solchen Konzern gibt es, mit einem jährlichen Umsatz von 500 Milliarden Dollar aus nur drei Produkten: Heroin, Kokain und Marihuana. Dieses Drogenkartell der Kartelle ist ein Faktum. Aber manchmal ist Fiktion der einzige Weg, eine wahre Geschichte zu erzählen.« 10 Man konnte sich in der Business-Class ausstrecken und in einem Meer derartiger Verschwörungsträume versinken: »Gentlemen, I propose that we buy the United States of America.« Die Suche nach den wirklichen Akteuren aber hatte erst begonnen.
Und dann war da noch das Internet: »Wir stecken mitten in einer großen Transformation des Kapitalismus. Nach Hunderten von Jahren, in denen physische Ressourcen in Waren verwandelt wurden, besteht heute die primäre Form der Generierung von Reichtum in der Umwandlung von kulturellen Ressourcen in kostenpflichtige persönliche Erfahrung und Unterhaltung. Es
Weitere Kostenlose Bücher