01 - Der Ring der Nibelungen
zurück in den Thronsaal ging. »Ich mache mir Sorgen um Gunther - und um Burgund. Manchmal scheint er nicht ganz Herr seiner Sinne. Um des Reiches willen möchte ich vorerst bleiben.«
Elsa nickte. »Vorerst« war ihr gut genug. Sie hatte eigene Augen, eigene Ohren. Was auch immer kommen würde -es würde kommen, bevor noch viele Jahre ins Land gingen. Gunther war ein König, dessen Fall mit seiner Krönung schon begonnen hatte.
Die Wachen waren unauffällig in Kenntnis gesetzt worden, und die Hufe der Pferde hatten Gunther und seine Männer mit schweren Tüchern umwickelt, damit sie auf dem Pflaster im Hof keinen Lärm verursachten, der die schlafenden Bewohner wecken konnte. Ohne mit Fackeln Aufmerksamkeit zu erregen, trugen zwölf Soldaten schwer am Gold der Nibelungen, welches sie in ledernen Taschen abtransportierten.
In der eigenen Burg ein Dieb zu sein war Gunther selbst im Nebel des heimischen Weins zuwider, aber Hagen versicherte ihm erneut: »Wir schaffen das Gold in den Wald - so weit, dass niemand freiwillig danach suchen wird. Wenn Kriemhild abgereist ist, können wir zu jeder Zeit wieder holen, was unser ist.«
Einen irren Moment lang fragte Gunther sich, ob Hagens Pferd ebenfalls nur eine Erscheinung war, und unterdrückte mühsam den Drang, mit der Hand danach zu greifen, als ein Soldat flüsternd meldete: »Majestät, das Gold ist aufgeladen. Wir stehen zum Abmarsch bereit.«
Gunther nickte, und er schickte sich an, mit seinen Männern das Geschmeide und die Münzen wieder dorthin zu bringen, wo Siegfried sie angeblich einst gefunden hatte.
Im Dunkel der Nacht machte sich die kleine Reisegruppe auf den Weg, um allem Leid der letzten Monate noch ein weiteres Unrecht hinzuzufügen. Der König jedoch fühlte sich gut dabei - Hagen hatte ihm versichert, dass er dem dauerhaften Frieden damit näher kommen würde.
Auch in Kriemhilds Gemach brannte keine Fackel. Sie schlief schlecht in letzter Zeit, und oft war sie ein Geist im eigenen Zimmer, der unstet herumwandelte, nur selten einen Schatten werfend. Vom Fenster aus sah sie, was vor sich ging, und es bedurfte keines außergewöhnlich klugen Verstands, um das Treiben der dunkel gekleideten Männer richtig einzuschätzen.
Es scherte sie wenig. Der Wandel ihres Bruders vom Mordkomplizen zum gemeinen Dieb war kaum noch der Erwähnung wert. Und das Gold? Hjalmar hatte über die Jahrzehnte seiner Herrschaft die Truhen Dänemarks reichlich gefüllt, das wusste sie. Hätte Gernot sie nicht vom feigen Verrat des Königs unterrichtet - sie hätte Gunther das Gold der Nibelungen vor der Abreise zum Geschenk gemacht. Wie schon so oft wehrte Gunther eine Gefahr ab, die nicht bestand.
Der Ring an ihrer linken Hand fing einen einzigen Strahl Mondlicht ein, und fast liebevoll sah Kriemhild das Memento ihres tapferen Gatten an. Sie hatte, was sie brauchte. Ihre rechte Hand strich über ihren Bauch, in langsam kreisenden Bewegungen.
In der Nacht fühlten sich die Nibelungen wohl. Die Nacht war ihr Freund, denn nur noch Schatten war der Wald, und ungesehen konnten sie ihr Reich durcheilen. Statt von Baum zu Baum zu springen oder durch das Erdreich zu treiben, tollten sie körperlos in kühler Luft, tanzten mit sich und miteinander, gewöhnlich ungestört.
Doch heute kam Besuch. Königlicher Besuch, wenn auch nicht mehr mit königlichem Verstand, wie eine der vielen Stimmen kichernd anmerkte. In neugieriger Hektik schwirrten die Nibelungen umher, umkreisten unbemerkt die burgundischen Reiter und sprangen sogar über ihre Köpfe. Nur dann und wann strich sich ein Soldat unwohl über die Gänsehaut an seinen Armen.
Und der Geruch! Es war der Geruch des Goldes - ihres Goldes! Süß und verlockend schrie das edle Metall danach, mit seinesgleichen in der Drachenhöhle vereint zu werden. Und die Nibelungen, Hüter und Besitzer des Schatzes, konnten kaum erwarten, das Diebesgut an seinen Platz zurückzuschaffen. In Arbeit, die Jahre, vielleicht Jahrhunderte dauern konnte, würden sie jede Münze, jeden Klumpen, jedes Geschmeide wieder dort ablegen, wo der dumme Schmied es einst genommen hatte.
Näääher . . .
Die Reiter, ohne Fackeln und Mondschein, wurden sichtlich nervös und hielten sich die Köpfe im Schmerz.
Näääher . . .
Auch Gunther spürte den Druck, der mit der Gegenwart der Nibelungen kam. Er rieb sich die Schläfen und mühte sich um Haltung.
Aus vergossenem Bluuut gelernt . . .
Hagen schien von derlei Zauberkraft unbeeindruckt, und
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