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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Dinge eben sein sollten, weil Zuschauer dem Ganzen immer abträglich waren und die Spieler vom Wettkampf ablenkten.
    Er befand sich nun mittschiffs des Frachters, und Portagee hatte den Köder geschluckt. Was auch sonst? dachte Kelly. Trotzdem war der Kerl verdammt gut. Noch eine Seemeile, dann wäre Oreza längsseits gewesen und hätte Kellys Handlungsspielraum auf exakt Null reduziert. Aber als er die zum Teil aus dem Wasser ragende Bugnase des Schiffs sah, hatte er seinen Plan gefaßt. Wie an jenem ersten Tag mit Pam blickte ein Mannschaftsmitglied von der Brücke herunter, und ganz kurz wurde es Kelly bei der Erinnerung flau im Magen. So lange her, soviel war inzwischen geschehen. Hatte er richtig oder falsch gehandelt? Wer konnte das beurteilen? Kelly schüttelte den Kopf. Das würde er GOTT überlassen. Kelly blickte zum erstenmal in diesem Rennen nach hinten, maß die Entfernung ab. Es war verdammt knapp. Das Boot saß achtern auf, war etwa fünfzehn Grad nach oben geneigt, und sein geräumiger Rumpf pflügte sich tief durch die kabbelige See, Er schaukelte in einem Bogen von zwanzig Grad von links nach rechts, während seine großen Dieselmotoren auf ihre typische Art wie Katzen schnurrten. Alles lag in Orezas Händen, Hebel und Räder gehorchten seinen geschickten Fingerspitzen, während sein Blick unentwegt prüfte und Maß nahm. Seine Beute tat genau das gleiche, Kelly holte nach allen Regeln der Kunst das Letzte aus seinen Motoren heraus. Doch seine Aktivposten beliefen sich auf etwas weniger als die Portagees. Das war zwar schade, aber so waren die Dinge eben.
    Da sah Oreza das Gesicht des Mannes, der zum erstenmal zurückblickte.
    Es ist aus, mein Freund. Komm schon, beenden wir das ehrenhaft. Vielleicht hast du Glück und kommst nach einer Weile raus, dann können wir ja wieder freunde sein.
    »Komm schon, droßle die Motoren und dreh nach Steuerbord«, sagte Oreza, der kaum wahrnahm, daß er laut redete, während jedes einzelne Besatzungsmitglied genau das gleiche dachte und froh war, daß sie und ihr Skipper die Dinge in derselben Weise auslegten. Wenn das Rennen auch erst seit einer halben Stunde lief, so war es schon eine abenteuerliche Geschichte, an die sie sich während ihrer ganzen Laufbahn erinnern würden.
    Der Mann wandte wieder den Kopf. Oreza lag nun kaum eine halbe Schiffslänge zurück. Er konnte mit Leichtigkeit den Namen am Heck lesen, und es hatte keinen Sinn, die Sache bis zum letzten Zentimeter auszureizen. Das würde das Rennen verderben. Es würde von niederer Gesinnung zeugen, die auf See nichts zu suchen hatte. So was taten Jachtbesitzer, aber keine Profis.
    Dann machte Kelly etwas Unerwartetes. Oreza sah es als erster, und seine Augen maßen die Entfernung einmal, dann zweimal und noch ein drittes Mal, doch in jedem Fall ergab sich eine falsche Antwort, und so griff er schnell nach seinem Funkmikrofon.
    »Lassen Sie das!« brüllte der Offizier auf der Notfrequenz.
    »Was?« fragte Tomlinson schnell.
    Tu das nicht! schrie Orezas Verstand, der sich plötzlich allein auf einer winzigen Welt sah, die Gedanken des anderen las und sich dagegen auflehnte. So durfte die Geschichte nicht ausgehen. Das war unehrenhaft.
    Kelly drehte das Ruder nach rechts, um die Bugwelle zu erwischen, während er den schäumenden Vordersteven des Frachters beobachtete. Als der richtige Augenblick gekommen war, legte er das Ruder um. Das Funkgerät piepste. Es war Portagees Stimme, und Kelly lächelte, als er sie hörte. Was für ein feiner Kerl er war. Das Leben wäre so einsam ohne solche Männer.
    Durch die Wucht der scharfen Richtungsänderung schlingerte die Springer nach Steuerbord, was durch den vom Bug des Frachters aufgeworfenen Wasserberg noch verstärkt wurde. Kelly hielt sich mit der linken Hand am Steuerrad fest und griff mit der rechten nach der Sauerstoffflasche, um die er sechs Bleigewichte geschlungen hatte. Herrgott, kam ihm blitzschnell in den Sinn, als die Springer sich um neunzig Grad drehte, ich habe nicht nachgesehen, wie tief es hier ist. Was, wenn das Wasser zu seicht ist - o Gott... o Pam...
    Das Boot drehte scharf nach Backbord. Oreza sah aus nur hundert Metern zu, doch angesichts seiner Möglichkeiten, einzugreifen, hatten es genausogut tausend Meilen sein können. Im Geiste sah er alles schon vor sich, bis ihn die Wirklichkeit einholte. Da die Jacht durch die Drehung bereits nach rechts drängte, stieg sie auf der schäumenden Bugwelle des Frachters noch weiter auf und drehte

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