01 - Gnadenlos
völlig überraschend für Ryan. Es widerstrebte allem, wofür sein Beruf stand - aber bei den Ungeheuern, die der Mann ermordet hatte, verhielt es sich ja genauso. Wir schulden ihm etwas... hätte ich ohne ihn alle diese
Fälle geklärt? Wer hätte für die Toten gesprochen... und außerdem, was kann der Mann schon tun?... Ryan, bist du jetzt übergeschnappt? Ja, vielleicht.
»Sie bekommen Ihre Stunde. Danach kann ich Ihnen einen guten Anwalt empfehlen. Wer weiß, ein guter haut Sie vielleicht noch raus.«
Ryan stand auf und schritt auf die seitliche Tür zu, ohne sich umzusehen. Er blieb nur für eine Sekunde an der Tür stehen.
»Sie haben Leute verschont, die Sie hätten umbringen können, Mr. Kelly. Deshalb. Ihre Stunde beginnt jetzt.« Kelly sah dem abziehenden Ryan nicht nach. Er schaltete die Dieselmotoren ein, ließ sie warmlaufen. Eine Stunde dürfte gerade genügen. Er stolperte aufs Deck hinaus, machte die Leinen los und ließ sie am Poller hängen. Bis er wieder in der Kajüte war, waren die Dieselmotoren einsatzbereit.
Sie sprachen sofort an, und er drehte das Boot einmal um die eigene Achse, so daß er aus dem Hafen herausfahren konnte.
Sobald er das Hafenbecken hinter sich gelassen hatte, schob er die Gashebel bis zum Anschlag hoch und brachte die Springer auf ihre Höchstgeschwindigkeit von zwanzig Knoten. Da die Schiffahrtsrinne nicht befahren war, stellte Kelly auf Autopilot um und traf in aller Eile die norwendigen Vorbereitungen. Bei Bodkin Point schlug er eine Abkürzung ein.
Das mußte er, denn er wußte ja, wen sie ihm nachschicken würden.
»Küstenwache, Thomas Point.«
»Hier spricht die Stadtpolizei Baltimore.«
Leutnant zur See Tomlinson nahm den Anruf entgegen.
Er hatte gerade erst die Ausbildungsstätte der Küstenwache in New London verlassen und war hier, um seine ersten praktischen Erfahrungen zu sammeln. Obwohl er im Rang unter dem befehlshabenden Deckoffizier der Küstenwachstation stand, verstanden sowohl der Junge wie der Mann, worum es ging. Paul English dachte, daß der erst Zweiundzwanzigjährige, dessen Offiziersstreifen noch makellos glänzten, nun mit einem Auftrag betraut werden sollte, aber auch nur, weil ja eigentlich Portagee die Sache in der Hand haben würde. 41-Bravo, das zweite große Patrouillenboot der Station, war bereits warmgelaufen und bereit zum Auslaufen. Tomlinson sprintete hinaus, als könnte es auch ohne ihn abdampfen, was English sehr amüsierte. Fünf Sekunden später hatte der junge Bursche seine Rettungsweste umgeschnallt, und 41-Bravo tuckerte vom Dock weg. Beim Leuchtrurm Thomas Point drehte sie nach Norden.
Der Mann hat mir bestimmt keine lange Leine gelassen, dachte Kelly, als er den Kutter von Steuerbord herankommen sah. Nun, er hatte um eine Stunde gebeten, und die hatte er bekommen. Beinahe hätte Kelly sein Funkgerät zu einem Abschiedsgruß eingeschaltet, aber das wäre nicht recht gewesen und hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Einer der Motoren lief heiß, und das war schon schlimm genug, obwohl ihm nicht mehr sehr viel Zeit zum Heißlaufen bleiben würde.
Es war nun so etwas wie ein Rennen. Schon gab es eine Komplikation, denn ein großer französischer Frachter hielt aufs Meer zu, genau dort, wo Kelly hin mußte, und er würde bald zwischen ihm und der Küstenwache eingekeilt sein.
»So, da wären wir«, sagte Ritter und entließ den Sicherheitsbeamten, der ihnen den ganzen Nachmittag wie ein Schatten gefolgt war. Er zog ein Flugticket aus der Tasche. »Erster Klasse. Da sind die Drinks frei, Oberst.« Sie hatten dank eines vorherigen Anrufs die Paßkontrolle umgehen können.
»Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.«
Ritter kicherte kurz. »Ja, die US-Regierung hat Sie um drei Viertel des Erdballs geflogen. Ich schätze, den Rest kann jetzt Aeroflot erledigen.« Ritter verstummte und fuhr dann förmlicher fort. »Ihr Benehmen unseren Gefangenen gegenüber war angesichts der Umstände sehr korrekt. Ich habe mich dafür zu bedanken.«
»Ich wünsche mir, daß sie wohlbehalten nach Hause kommen. Es sind keine schlechten Männer.«
»Das gleiche gilt für Sie.« Ritter geleitete ihn zum Flugsteig, wo ein großer Bus darauf wartete, ihn zu einer brandneuen Boeing 747 zu bringen. »Kommen Sie doch mal wieder. Dann kann ich Ihnen noch mehr von Washington zeigen.« Ritter sah zu, wi e er an Bord ging, und wandte sich dann an Woloschin.
»Ein guter Mann, Sergej. Wird das seiner Karriere schaden?«
»Bei
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