01 - komplett
Viscount nickte. „Wirklich erschreckend. Kann ich Ihnen vertrauen, Mr. White?“
„Natürlich können Sie das“, erwiderte William. „Sie werden mir schließlich fünfundsiebzig Pfund im Jahr zahlen.“
„Ja?“
William hatte absichtlich ein absurd hohes Gehalt verlangt und rechnete fest damit, dass Seine Lordschaft ihn auf vernünftige dreißig oder vierzig Pfund herunterdrücken würde. Mit vierzig Pfund konnte ein Mann eine anständige Unterkunft mieten – für sich und eine Frau. Damit konnte er Kinder in die Welt setzen, ohne fürchten zu müssen, nicht für sie sorgen zu können. Vierzig Pfund im Jahr bedeuteten, er könnte Lavinia für sich gewinnen. Schon wollte er einlenken und seine Forderung senken, als der Viscount ihm zuvorkam.
„Fünfundsiebzig Pfund im Jahr.“ Er klang entschieden amüsiert. „Gilt das als sehr viel Geld?“
„Sie scherzen, Mylord. Lieber Himmel, natürlich.“
Der Viscount winkte ab. „Meine Mutter und meine Schwester leben in Aldershot.
Wenn Sie so gut sind, mich aus London wegzubringen, bevor mein Großvater es merkt“, sagte er leise, „verdreifache ich die Summe.“
Er erhob sich, während William ihm erschüttert nachblickte.
„Kommen Sie schon. Müssen Sie nicht Ihre Kündigung einreichen?“
Um zwei Uhr am Nachmittag hatten William und sein neuer Arbeitgeber alles geregelt, um jeglichen Einfluss des alten Marquess über die Finanzen seines Enkels auch auf dem Papier zu löschen. Gleich darauf besorgte der Viscount sich eine Kutsche und das nötige Geld für die Reise und machte sich sofort auf den Weg zu seiner Mutter und Schwester. William begab sich zu Spencers Leihbibliothek.
Es war drei, als er dort ankam. Erleichtert stellte er fest, dass Lavinia noch nicht für Heiligabend geschlossen hatte. Sie saß an ihrem gewohnten Platz und spielte mit einer Haarlocke. Bald würde er es sein, der ihr Haar streichelte.
Kaum hatte er den Raum betreten, da blickte sie auf, aber ihr Gesicht strahlte nicht vor Freude. Lavinia, die jeden Besucher mit einem freundlichen Lächeln begrüßte, presste bei seinem Anblick die Lippen zusammen und sah fort. Kein gutes Omen.
William ging trotzdem unbeirrt weiter auf sie zu.
Sie sprach jedoch als Erste. „Ich habe ein Weihnachtsgeschenk für dich“, sagte sie leise, ohne ihn anzusehen.
„Ich möchte kein Geschenk, Lavinia.“
Immer noch sah sie ihn nicht an, sondern öffnete eine Schublade und wühlte darin herum. Sobald sie gefunden hatte, was sie suchte, warf sie es achtlos in seine Richtung. Da sie ihn noch immer mit keinem Blick bedachte, musste William hastig danach greifen, damit es nicht auf den Boden fiel. Es war ein Beutel, kaum größer als seine Handfläche und so leicht, dass er genauso gut leer sein konnte.
„Ich habe es dir doch gesagt“, bemerkte sie knapp. „Du wirst nicht wissen wollen, was ich tun muss, um dir deine zehn Pfund zurückzuzahlen.“ Sie sprach so leise, dass er sie kaum verstehen konnte.
Sein Herz setzte einen Schlag aus. „Ich will die zehn Pfund nicht zurückhaben.“
Jetzt endlich hob sie den Blick. „Ich weiß“, flüsterte sie, „aber ich möchte, dass du sie bekommst.“
Ihre Augen waren gerötet, als hätte sie geweint. Unwillkürlich ballte William die Hände zu Fäusten. Er erinnerte sich an die Möglichkeiten, die Lavinia offenstanden.
Nein, sie konnte unmöglich eingewilligt haben, einen anderen Mann zu heiraten.
Oder doch? Sie sah so blass und kummervoll aus, so unendlich traurig.
„Tu es nicht, Lavinia“, flehte er. „Nimm mich. Ich bin gekommen, um dir zu sagen ...
du hast mich gebeten, die Hoffnung nicht aufzugeben. Ich habe eine bessere Stellung gefunden. Jetzt kann ich es mir leisten, dich zu heiraten.“
Sie wich vor ihm zurück, als hätte er sie geohrfeigt. „Leisten, William? Das war doch nie das wirkliche Problem. Ich wäre in jedem Fall deine Frau geworden. Stattdessen hast du mich abgewiesen und mir gesagt, dass du mich nicht liebst. Hast du wirklich geglaubt, ich warte, bis du das Geld hast, mich zu kaufen?“
Betroffen biss William sich auf die Unterlippe. Wäre er ein besserer Mann gewesen und hätte er sie nicht verführt, gekränkt und beleidigt, hätte er sie vielleicht gewinnen können. Aber er hatte nicht auf sie gehört, und jetzt war sie nicht mehr bereit, seine Fehler zu verzeihen. Er hatte sie für immer verloren.
„Es tut mir so leid“, sagte er.
Lavinia zuckte die Achseln. „Deine Entschuldigung nützt mir
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