01 - komplett
Gastgebern so nah wie möglich zu sein.
Penny – Miss Penelope , korrigierte Daisy sich – verging schier vor Hitze, während sie halb erfror. Wenn das so weiterging, würde sie nicht rechtzeitig nach oben gelangen, um irgendetwas auszupacken, ehe Miss Penelope ins Zimmer kam und es sie nach frischer Kleidung und einer Tasse Tee verlangte. Außerdem stachen sie ihre Haarnadeln, von der ungewohnt straffen Frisur schmerzte ihr der Kopf, und sie brauchte ihren Tee genauso dringend wie ihre Herrin. Aber bestimmt kam diese als Nächste dran: Die beiden Frauen verschwanden gerade nach oben, ohne der bescheidenen jungen Frau noch einen Blick zu gönnen.
An der Eingangstür regte sich etwas, neuerlich pfiff die Zugluft eiskalt um Daisys Knöchel, und dann kamen die Lakaien mit weiterem Gepäck herein. Glänzendem, teurem Gepäck. Jede Menge davon. Verflixt. Zornglühend trat sie zur Seite, um alle sechs Lakaien vorbeigehen zu lassen. Und hinter ihnen kam ein Kerl geschlendert, in dem Daisy mühelos einen überaus hochgestellten Kammerdiener erkannte.
Er war groß, dunkel, sehr schlank, und er bewegte sich nicht wie ein Mann, der sein Leben damit zubrachte, Stiefel zu putzen und Krawattentücher zu binden, sondern eher wie jemand, der im Sattel zu Hause war. Seine Miene war ernst, seine regelmäßigen Züge wirkten durchaus ansprechend. Wenn einem dieser Typ Mann gefällt, befand sie mit einem kritischen Blick. Dann entdeckte er sie. Daisy runzelte die Stirn, als sie die tiefblauen Augen auf sich gerichtet sah, die sie auf gründliche, sehr männliche Weise von oben bis unten musterten. Was für ein impertinenter Lümmel! Sie hatte schon die Lippen geöffnet, um diesen Rüffel laut auszusprechen, doch im letzten Moment fiel ihr ein, wo sie sich befand und als wer sie auftrat.
Hastig schloss sie den Mund und biss sich dabei schmerzhaft auf die Zunge. Mit tränenden Augen wartete sie in zornigem Schweigen, dass der Kammerdiener an ihr vorbeiging. Und dann blinzelte er ihr zu. Nichts regte sich in seinem Gesicht bis auf das eine Augenlid, und umgehend verschwand er die Treppe hinauf, wobei er mit seinen langen Beinen zwei Stufen auf einmal nahm.
Gerade hatte ihr ein Kammerdiener zugeblinzelt. Ein Kammerdiener! Es war einfach empörend. Und das war erst der Anfang. Sie hatte gute Lust ...
„Ist das alles?“ Neben ihr war ein großer Lakai in Livree aufgetaucht. „Wo sind Ihre Sachen?“ Sie wies auf zwei schäbige Reisetaschen. Verächtlich verzog er die Lippen.
„Na schön. Jim, bring die hier rauf ins Zimmer der Miss im Nordturm, wir nehmen die anderen. Aus irgendeinem Grund“, fügte er über die Schulter weg hinzu, „hat Ihre Herrin die Rosa Suite bekommen. Sehr hübsch, die Suite. Kommt mir allerdings ein bisschen komisch vor – das ist eine der besten Suiten hier, und sie ist doch niemand Besonderes, oder? Na ja, sicher gibt es dafür einen Grund.“
Allerdings, dachte Daisy grimmig und folgte ihm. Aber eine rosa Suite reichte nicht aus, um die arme Penny in die Falle zu locken, nicht, wenn sie etwas zu sagen hatte.
Impertinente höher gestellte Dienstboten und Frostbeulen mussten ertragen werden. Die ganze Sache war ihre eigene Idee gewesen, aber sie wusste, wer der eigentliche Verantwortliche war. O ja. Der Earl of Danescroft würde es noch bitter bereuen, Miss Maylin als eine bequeme, dankbare Ehefrau erwählt zu haben.
2. KAPITEL
„Rowan, das alles wird entsetzlich werden!“ Penelope warf sich auf das Sofa und tastete blindlings nach einem Taschentuch. Ihre Wangen waren hochrot vom lodernden Kaminfeuer, und ihre Augen schimmerten verdächtig feucht. „Lord Danescroft ist hier, und er ist sogar noch verschlossener, als ich befürchtet hatte.“
„Du musst Daisy zu mir sagen“, erinnerte Rowan sie und warf einen Blick zur Tür. Sie war fest verschlossen. „Oder mich sogar mit dem Nachnamen ansprechen, wenn du eingebildet tun willst. Wann ist der Earl denn angekommen?“
„Kurz bevor du nach oben gegangen bist. Ich habe dich am anderen Ende der Halle warten sehen, und dann haben sie deine Sachen nach den seinen nach oben gebracht.“ Penny schnäuzte sich und betrachtete die rosaroten Vorhänge und die vergoldeten Möbel. „Was für ein schönes Zimmer. Was meinst du, haben die einen Fehler gemacht, als sie mich hier untergebracht haben?“
„Nein, ich glaube, dieser Raum passt genau für eine junge Dame, der ein Earl einen Heiratsantrag machen soll“, erwiderte Rowan, worauf Penny leise
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