01 - komplett
aufkeuchte. Sie räumte das letzte Paar Seidenstrümpfe ihrer Freundin in eine Schublade und machte sich daran, die weißen Baumwollunterröcke aus dem Schrankkoffer zu nehmen.
„Seine Lordschaft habe ich nicht gesehen, aber seinen Kammerdiener, ein ganz impertinenter Kerl. Er hat mir zugezwinkert.“
Das zumindest entlockte Penny ein Lächeln. „Nun, du siehst auch sehr hübsch aus.
Diese strenge Frisur steht dir. Hier, lass mich helfen; du solltest mich nicht bedienen.“
Sie wandte sich einer Reisetasche zu, doch Rowan schob Penny zu ihrem Sessel zurück.
„Nein, du musst dich wie eine Dame verhalten und vergessen, wer ich bin. Wenn jemand irgendwelche unpassenden Vertraulichkeiten mitbekommt ...“ Es klopfte, und dann ging die Tür auf. „Ah, der Tee. Stellen Sie ihn bitte hierher.“ Rowan deutete auf den Tisch neben Pennys Sessel und wartete, bis das Mädchen sich mit einem Knicks zurückzog. „Siehst du – man weiß nie, wann irgendwer hereinschneit. Die haben ja schon Augen gemacht, als ich zwei Tassen verlangt habe.“ Sie goss ein, reichte Penny ihren Tee, ließ sich auf einen gepolsterten Schemel sinken und trank einen Schluck. „Himmlisch.“
Penny sah auch nach der zweiten Tasse Tee noch ganz elend aus. „Leg dich hin und ruh dich aus“, befahl Rowan, „während ich deine Abendsachen ausschüttele und deine Tageskleidung wegräume.“
Bis Penny schließlich ausgekleidet im Bett lag, das einfachere der beiden Abendkleider ausgepackt und aufgehängt und die restlichen Accessoires bereitgelegt worden waren, empfand Rowan beträchtliches Mitgefühl mit ihrer eigenen Kammerzofe, der unermüdlichen Alice Loveday. Sie war es gewohnt, dass immer alles zur Hand war, wenn sie es brauchte; zu erraten, was Penny wohl würde brauchen können, erforderte weitaus mehr Mühe.
Als sie endlich fertig war, sah sie auf die Uhr – ihr blieb noch Zeit genug, Pennys Tageskleidung wegzuräumen, in ihr Zimmer hinaufzugehen, ihre eigene bescheidene Garderobe auszupacken und sich umzuziehen, bevor sie wieder nach unten kam, um Penny bei der Abendtoilette zu helfen.
„Ach, verflixt!“
„Was?“ Penny fuhr mit weit aufgerissenen Augen im Bett auf.
„Schau dir den Saum deiner Pelisse an! Lauter Schlammflecken! Und deine Stiefeletten.“
„Das ist beim Aussteigen passiert“, entschuldigte sich ihre Freundin. „Eine Steinplatte hat unter meinem Fuß gewackelt, dabei ist aus einer Pfütze Wasser aufgespritzt.“
„Ach, na ja. Dann ist jetzt eben die Zeit gekommen, in die Dienstbotenwelt hinabzusteigen“, sagte Rowan, die sich weitaus zuversichtlicher gab, als sie sich fühlte. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass ihr die intensiven Studien, die sie mit Miss Loveday in den Dienstbotenquartieren der Maylins betrieben hatte, bei den komplexen Verhältnissen auf Tollesbury Court wohl kaum helfen würden. Auch ihre eigenen Erfahrungen waren wenig relevant. Der Posten ihres Vaters als Diplomat brachte es mit sich, dass sie einen Majordomus hatten, der sich um alle Details des Haushalts kümmerte. Außer dem letzten Wort bei der Auswahl der Speisen, der Blumenarrangements und der Vorhänge blieb Rowan nicht viel zu tun.
„Ich gehe jetzt nach unten und suche den Jungen, der die Schuhe putzt. Bin gleich wieder da.“ Zum Glück erinnerte sie sich daran, die Hintertreppe zu nehmen, und dann trat sie leicht benommen von den engen Windungen ins organisierte Chaos im Untergeschoss. Nachdem sie ein paar Minuten lang ignoriert worden war, baute Rowan sich entschlossen vor einem Lakaien auf, der zwei gefüllte Blumenvasen in der Hand hielt. „Wo finde ich den Schuhputzer?“, erkundigte sie sich energisch.
„Da hinten – hinter der Speisekammer links“, erwiderte er und blies Farnwedel von seinem Mund weg.
Nach einigem Umherirren entdeckte sie die Speisekammer und danach den Schuhputzer in seinem Kämmerchen, wie er keuchend ein Paar hohe Stiefel wichste.
„Die hier gehören Miss Maylin aus der rosa Suite“, sagte sie energisch und reichte ihm die verschmutzten Schuhe. „Wo ist der Reinigungsraum?“
Diesmal fand sie sich leichter zurecht, da sie mit den Räumlichkeiten schon ein wenig vertraut war. Glücklicherweise war der Raum leer, und so konnte Rowan die Lampendochte höher drehen und sich die vielen Reihen mit geheimnisvollen Bürsten und Ledern vornehmen, bis sie etwas fand, was geeignet schien, den Schlamm zu entfernen, ohne dabei das Gewebe zu beschädigen.
Die Tische waren gepolstert und mit
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