01 - Nacht der Verzückung
wäre
sicher wundervoll für sie, eine Stiefmutter zu haben, die bei der Organisation
helfen könnte.«
»Ah«,
rief sie aus, »Jetzt kommen wir zum wahren Kern des Ganzen. jetzt kommt
heraus, warum du dir so viel Mühe machst, mich zu überreden ...«
Er
küsste sie lange und intensiv.
Kapitel 26
Newbury Abbey,
hatte Lily festgestellt, sah noch genauso aus wie früher und war dennoch so
völlig anders. Früher hatte es sie erdrückt, sie war sich zwergenhaft
vorgekommen, war überwältigt gewesen. jetzt konnte sie seine Großartigkeit
bewundern und die leichte Eleganz seiner Konstruktion wertschätzen. jetzt
fühlte es sich an wie ein Zuhause. Weil es sein Zuhause war und gewiss
auch ihres werden würde.
Im
Laufe der anderthalb Tage nach ihrer Ankunft hatte sie sich mit jedem
unterhalten und hatte sich bei allen wohl gefühlt -einschließlich des
Küchenpersonals, mit dem sie am Vormittag Kaffee getrunken hatte, während sie
Kartoffeln schälte. Sie war auch in Nevilles Gesellschaft gewesen, jedoch kein
einziges Mal mit ihm allein. Der intimste Moment, der ihnen vergönnt gewesen
war, war jene Minute nein, nicht so lang - gewesen, als er sich in die
Kutsche ihres Vaters gebeugt hatte.
Es
spielte keine Rolle. Auch inmitten großer Menschenansammlungen war es möglich,
mit jemandem allein zu sein. Sie war umgeben von einem Regiment von Soldaten
und deren Frauen und Kindern aufgewachsen und hatte diese Lektion früh gelernt.
Sie
unterhielten sich miteinander - in Gesellschaft anderer. Sie sahen sich
an und lächelten sich zu - für alle anderen sichtbar. Aber die ganze Zeit
gab es im Grunde nur sie beide und die gemeinsame Übereinkunft, dass sie
endlich die Zeit gekommen war. Dass sie endlich zu Hause angekommen war. Für
den Rest ihres gemeinsamen Lebens. Lily war sicher, dass sie sich nicht irrte.
Es war
noch nicht ausgesprochen worden, denn obwohl die Zeit reif war, war der genaue,
ideale Zeitpunkt noch nicht gekommen. Und sie wollten nichts überstürzen -
es war, als hätten sie da ein stillschweigendes Abkommen getroffen. Sie hatten
lange Zeit gewartet, sie hatten viel ertragen. Der Augenblick ihrer endgültigen
Bindung würde sich von selbst offenbaren. Sie wollten nicht versuchen, ihn zu
erzwingen.
Der Teppich
im Salon war für den Abend zurückgerollt worden, damit auf der Geburtstagsfeier
der Gräfin getanzt werden konnte. Lady Wollston, Nevilles Tante Mary, nahm
ihren Platz am Klavier ein. Neville tanzte mit seiner Mutter und dann mit
Gwendoline, die trotz ihres verletzten Beines liebend gerne tanzte. Er tanzte
mit Elizabeth und mit Miranda.
Und
natürlich tanzte er mit Lily - den letzten Tanz des Abends, einen Walzer.
»Wie du
siehst, bin ich selbstsüchtig, Lily«, offenbarte er ihr mit einem Lächeln. »Bei
einem Bauerntanz hätte ich dich ständig an einen anderen Partner abtreten
müssen. Bei einem Walzer habe ich dich ganz für mich allein.«
Lily
lachte. Sie hatte mit ihrem Vater getanzt, mit Joseph, mit Ralph, mit Hal. Sie
hatte den Abend voll und ganz genossen. Aber nur weil sie wusste, dass sie zum
Schluss, endlich, mit Neville tanzen würde.
»Ich
wusste, dass es ein Walzer sein würde«, erklärte sie ihm.
»Lily.«
Er neigte den Kopf ein wenig näher zu ihr. »Du bist eine allein stehende Frau,
Tochter eines Herzogs, gebunden an all die Anstandsregeln, die für eine Dame
der beau monde gelten.
Lilys
Augen tanzten vor Belustigung.
»Ich
habe bereits mit Portfrey gesprochen und habe sein Einverständnis«, sagte er.
»Ich könnte morgen in der Bibliothek offiziell und förmlich mit dir reden. Dein
Vater oder Elizabeth würden dich dorthin bringen und uns beide taktvoll für
fünfzehn Minuten allein lassen. Nicht länger als fünfzehn - das wäre
unschicklich.«
»Oder?«
Lily lachte erneut. »Ich höre da ein Zögern in deiner Stimme und sehe sie in
deinem Gesicht. Wenn dich die Aussicht auf fünfzehn Minuten in der Bibliothek
ebenso wenig begeistert wie mich, was dann?«
Er
grinste sie an. »Portfrey würde mich schon für den bloßen Gedanken zum Duell im
Morgengrauen fordern«, sagte er.
»Neville.«
Sie drückte sich ein wenig näher an ihn. Auf einem Ball der feinen Gesellschaft
hätte ihre Nähe einen Skandal ausgelöst. Aber sie befanden sich im Kreis der
Familie, die sie mit liebevoller Duldung beobachtete und dabei so tat, als
hätten sie nichts gesehen. »Was ist die Alternative zur Bibliothek? Oh, soll
ich es sagen? Du meinst das Tal, nicht wahr? Und den Wasserfall
Weitere Kostenlose Bücher