01 - Nacht der Verzückung
gewesen.«
»Oh,
Lauten, natürlich wäre es das gewesen!«, rief Gwendoline aus.
»Nein.«
Lauren schüttelte den Kopf. »Auch du musst heute Abend gespürt haben, was alle
anderen spürten, Gwen. Die Luft knisterte praktisch von der Spannung der
Leidenschaft, die beide füreinander empfinden. So etwas hat es zwischen Neville
und mir nie gegeben. »
»Vielleicht
...«, begann Gwendoline, aber Lauten blickte wieder ins Feuer und etwas in
ihrem Gesicht ließ ihre Cousine verstummen.
»Ich
habe sie einmal gesehen, weißt du«, sagte Lauren, »als ich sie nicht hätte
sehen sollen. Sie waren eines frühen Morgens zusammen unten am Teich. Sie
badeten und lachten und waren unglaublich glücklich. Die Tür der Hütte stand
offen - sie hatten dort zusammen die Nacht verbracht. So sollte Liebe
sein, Gwen. Das ist es, was du mit Lord Muir erfahren hast.«
Gwendolines
Hände legten sich fester um die Armlehnen ihres Sessels und sie atmete hastig
ein, sagte aber kein Wort.
»Es ist
die Art von Liebe, die ich nie kennen lernen werde«, sagte Lauten.
»Natürlich
wirst du«, versicherte ihr Gwendoline. »Du bist jung und bezaubernd und ...«
»Und
unfähig zur Leidenschaft«, sagte Lauren. »Hast du den Kontrast zwischen Lily
und mir bemerkt, Gwen? Nach der ... der Hochzeit hätte ich von hier fortgehen
können. Ich hätte mit Großvater nach Hause gehen können. Ich wage zu behaupten,
dass er einiges für mich getan hätte. Ich hätte ein neues Leben beginnen
können. Stattdessen blieb ich hier und hoffte darauf, dass sie sterben würde.
Und selbst als ich mich später dazu entschlossen hatte, letztendlich doch zu
gehen, überlegte ich es mir anders. Aber Lily, die viel weniger Aussichten
hatte als ich und die weitaus mehr aufgab, ging fort, um sich ein neues Leben
zu schaffen, statt sich an etwas zu klammern, was sie zu jenem Zeitpunkt nicht
zufrieden stellen konnte. Mir fehlt diese Courage.«
»Du
bist müde«, sagte Gwendoline, »und ein wenig niedergeschlagen. Am Morgen wird
alles anders aussehen.«
»Aber
es gibt eines, wozu ich die Courage habe«, sagte Lauten und erhob sich. Sie reckte
sich mit größter Vorsicht, um eine kostbare Schäferin aus Porzellan vom
Kaminsims zu nehmen, hielt die Figur in den Händen und lächelte sie an. »0 ja,
ich tue es wirklich.«
Sie
schleuderte das Zierstück ins Feuer, wo es in tausend Einzelteile zerbarst.
***
Der Festakt zur
Geburtstagsfeier der Gräfin sollte am Abend stattfinden, doch mit so vielen
Hausgästen auf Newbury Abbey war selbst der Nachmittagstee eine überfüllte,
laute Angelegenheit. Draußen herrschte raues Herbstwetter. jeder war froh, drinnen
zu sein.
Außer
Elizabeth. Oh, sie war entzückt, wieder zu Hause zu sein, all ihre Verwandten
wiederzusehen und an einer Familienfeier teilzunehmen. Und sie war mehr als
entzückt zu sehen, dass das, worauf sie seit dem Frühjahr gehofft hatte, bald
geschehen würde. Obwohl offiziell Claras Geburtstag der Grund für ihr
Zusammenkommen war, begriffen doch alle unmissverständlich, dass etwas weitaus
Bedeutenderes im Gange war. Die Art von Liebe, die Neville und Lily füreinander
hegten, war selten und wunderbar anzusehen.
Das
erfüllte Elizabeth mit selbstloser Freude.
Und
betrübte den selbstsüchtigen Teil ihres Herzens.
Sie
würde nicht länger gebraucht werden, weder von Lily noch von ... noch von Lilys
Vater.
Sie zog
sich früher als die meisten Gäste leise aus dem Salon zurück, holte einen
warmen Mantel, Haube und Handschuhe aus ihren Gemächern und ging zu einem
einsamen Spaziergang hinaus in den Steingarten, der zu dieser Jahreszeit
ziemlich kahl und farblos aussah, wie sie fand. Sie erinnerte sich, am Tag von
Lilys erster Ankunft auf Newbury Abbey hier gewesen zu sein, an dem Tag, als
eigentlich Nevilles und Laurens Hochzeitsfeierlichkeiten hätten stattfinden
sollen. Lyndon hatte Lily bei dieser Gelegenheit eingehend befragt und sie,
Elizabeth, hatte ihn dafür gerügt, nicht wissend, dass er schon damals die
Wahrheit vermutet hatte. Es war so lange her ...
»Ist
Begleitung erlaubt?«, fragte eine Stimme hinter ihr. »Oder ziehst du es vor,
allein zu sein?«
Er war
ihr gefolgt. Sie drehte sich um, um ihn anzulächeln. Sie wünschte, sie hätte
die Kraft, ihm zu sagen, dass sie tatsächlich lieber allein wäre, aber es wäre
eine Lüge gewesen. Sie hatte noch den Rest ihres Lebens vor sich, um allein zu
sein. Es gab keinen Grund, damit früher als nötig anzufangen.
»Lyndon«,
sagte sie, als er
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