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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Wurzel gehen müsst. Ich kann mir nicht annährend vorstellen, wie Ihr es vermögt, diesen ungeheuren Verlust zu ertragen.«
    Stimmt, dachte Suviel. Das kannst du wahrhaftig nicht.
    »Da nun fast alle Magier und Bannwirker tot sind«, fuhr die Frau fort, »liegt die Verantwortung dafür, die Knechtschaft dieser widerlichen Mogaun abzuschütteln, beim Volk selbst. Wir müssen nur unsere Stärke wiederfinden.«
    Suviel hörte den Ärger in Lilias Stimme und sie erschauderte. Gunderlek hatte ähnliche Gefühle geäußert, als er seine glücklose, bunt Zusammengewürfelte Armee um sich geschart hatte. »Lilia«, sagte sie, »ich muss jetzt gehen.«
    »Verstehe. Hier ist es zu gefährlich für Euch.« Sie holte tief Luft. »Macht Euch keine Sorgen, dass die anderen über Euch reden könnten. Sie halten Euch nur für ein Kräuterweib, das zufällig auf der Durchreise war.«
    »Danke«, erwiderte Suviel und wandte sich zum Gehen. Als sie die Mitte der Treppe erreicht hatte, schaute sie sich noch einmal um. Lilia saß auf der Kiste und hatte die Arme um sich geschlungen, während sie an Suviel vorbei auf das graue, wogende Meer starrte.
    Eine Stunde später trabte Suviel langsam über die schlammige Straße, die nach Norden aus Choroya hinausführte. Sie durchquerte eine der armseligen Barackensiedlungen, die sich an die äußeren Befestigungsmauern der Stadt schmiegten. Überall säumten Zeugnisse der letzten Belagerung den Weg. Zerstörte Karren, zerbrochene Schilde und Speere, die Scherben von Krügen und Splitter von Kisten, zerfetzte Weidenkörbe, Reste von Nahrung und Getreide, die in den Schlamm getreten waren, sowie verbrannte und zerfetzte Kleidungsstücke. Der Abfall wurde von den Verzweifelten und Besitzlosen durchwühlt, die sich selbst um diese traurigen Reste stritten.
    Das grausame Elend, das Suviel hier sah, war ihr nicht neu. Dennoch erweckte es ihr Mitgefühl und entfachte ihren Zorn. Azurech war ein Mogaun-Häuptling, der Anführer des Weißklauen-Clans, der ganz Honjir mit seiner brutalen Herrschaft unterdrückte, seit er vor einigen Jahren über die Berge von Kathris hier eingefallen war. Eine brüchige Liga aus untergeordneten Mogaun-Häuptlingen und örtlichen Kriegsherrn hatte bis dahin eine Art Ordnung aufrecht gehalten, aber Monat um Monat hatte Azurech systematisch einen nach dem anderen besiegt und ihre Krieger in seine eigene Armee eingegliedert. Choroya mit dem umliegenden Siedlungsring war voll verzweifelter, hungriger Menschen die letzte bedeutende Bastion gewesen, die ihm Widerstand leistete. Jetzt gehörte auch sie ihm.
    Während Suviel zwischen den überfüllten Hütten und schmutzigen Zelten hindurchritt, fiel ihr die Stille auf. Niemand sang, und die Älteren erzählten den Kindern keine alten Legenden. Kein Geplauder drang an ihre Ohren, und ihr folgten nur gedämpftes Murmeln und ablehnende Blicke. Das war verständlich, denn schließlich war das Lebensgefüge dieser Menschen zerschlagen worden. Früher einmal war alles so vollkommen und klar gewesen. Der Geist des Vater Baumes bildete das alles überspannende Prinzip, das alle Dinge und Menschen nicht nur durch die Priester, sondern auch durch die sichtbaren und greifbaren Wohltaten der Macht der Wurzel selbst verband. Zudem wurde die Erden Mutter als der ruhende Fels verehrt, das unsichtbar wirkende Gesetz der Beständigkeit. Sie beide zusammen bildeten eine Quelle der Segnungen des Lebens und einen Ruheort für den Geist am Ende des Daseins. Sie waren zwei in Harmonie vereinte Kräfte, im Einklang mit den Menschen, ihrer Welt und den Jahreszeiten.
    Jetzt gab es all das nicht mehr, und seit der Mogaun-Invasion vor sechzehn Jahren war die Vergangenheit nur noch eine höhnische Erinnerung. Als Suviel an Kindern vorbeiritt, deren Augen in den Höhlen kaum noch zu erkennen waren, und an alten Frauen, die still schluchzend neben reglosen Gestalten unter Leichentüchern hockten, brannten ihre Augen erneut von
Tränen, und sie stieß leise bittere Verwünschungen aus. Ihr Mitleid wurde jedoch von dem Selbsterhaltungstrieb gedämpft, der sie zwang weiterzureiten, bis die baufälligen Hütten hinter ihr lagen.
    Der Himmel verfärbte sich grau, als sie den Rand eines Forstes erreichte, und es begann zu regnen. Sobald sie sich unter dem schützenden Blätterbaldachin der Bäume befand, verließ sie den Weg und führte ihr Pferd sorgfältig über moosbedeckte Wurzeln und den rutschigen Schlamm, bis sie einen Pfad erreichte, der nach Westen

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