01 - Tage der Sehnsucht
nickte
Rainbird zu, und gemeinsam schleuderten sie Sir Edward noch einmal durch das
Fenster in den Teich.
»Ihr seid tapfere,
mutige Diener«, lobte der Earl. »Aber da ist ja mein Freund Toby! Ich habe dich
gar nicht gesehen. Du nimmst natürlich an unserer Hochzeit teil.«
»Und auch das
gesamte Personal von Clarges Street 67«, fügte Fiona hinzu. »Sie dürfen nie
wieder zu diesem abscheulichen Palmer zurück und für ihn arbeiten.«
»Was das betrifft«,
strahlte Rainbird, »habe auch ich eine Überraschung bereit. Mit dem Geld, das
Sie uns gegeben haben, will ich im Dorf Highgate ein kleines Gasthaus erwerben.
Wir werden dort zusammen arbeiten, damit das Unternehmen auch gelingt, und wie
eine Familie leben.«
Lizzie brach in
Freudentränen aus, während die übrigen bis auf Joseph laut jubelten. Joseph
könnte sich nicht vorstellen, woanders zu leben als im Westend von London.
»Vielleicht hat
Alice keine Lust mitzukommen, Mr. Rainbird«, gab Mrs. Middleton zu bedenken,
»denn sie hängt so an Luke.«
»Das ist vorbei«,
sagte Alice in ihrer gedehnten ländlichen Sprechweise. »Er hat der kleinen
Lizzie so übel mitgespielt. Was würde er erst einer Ehefrau antun!«
»Ja«, meinte Fiona
und sah den Earl unter ihren Wimpern hervor an. »Solchen brutalen Männern kann
man wirklich nicht vertrauen.«
Und so heirateten der Earl of Harrington
und Miß Fiona Sinclair. Das gesamte Personal der Clarges Street 67 war, wie
gesagt, eingeladen. Nur Mr. Sinclair fehlte, da er wegen eines Gichtanfalls das
Bett hüten musste.
Joseph hatte sich
mit dem Gedanken, auf dem Land zu leben, ausgesöhnt. In den wenigen Wochen vor
Miß Fionas Hochzeit führten sie alle ein herrliches Leben. Sie waren zwar im
Dienstbotentrakt des Herrenhauses von Lord Harringtons Freund untergebracht,
aber niemand erwartete, dass sie arbeiteten.
Anfangs langweilte
sich Joseph gewaltig. Doch dann entdeckte er in Lizzie eine sehr
verständnisvolle Zuhörerin. Er machte oft lange Spaziergänge mit ihr und
prahlte damit, was er in Zukunft alles tun werde. Mit leuchtenden Augen sah
dann Lizzie zu ihm auf.
Ehe Fiona mit ihre
m frischgebackenen Ehemann abreiste, ließ sie Rainbird noch einmal kommen.
»Mein lieber Rainbird«, sagte sie weich, »Ende gut, alles gut. Glauben Sie, dass
auch bei Ihnen und den anderen alles glatt gehen wird? Der Earl und ich werden
für einige Zeit ins Ausland reisen. Ich möchte das Land aber nicht verlassen,
solange ich das Gefühl habe, dass Sie noch meine Hilfe brauchen.«
»Nein, Mylady«,
erwiderte Rainbird. »Dank Ihrer Fürsorge wird es uns allen sehr gut gehen.«
»Dann umarmen Sie
mich, Mr. Rainbird, wie Sie das gemacht haben, als ich elend und unglücklich
war. Legen Sie die Arme um mich, jetzt wo ich glücklich bin.«
Rainbird breitete
die Arme aus, und Fiona warf sich an seine Brust.
»Was hat das zu
bedeuten?« fragte eine Stimme vom Eingang her. Der Earl of Harrington stand mit
verschränkten Armen da und betrachtete die Szene.
»Ich habe nur Mr.
Rainbird auf Wiedersehen gesagt«, erklärte Fiona.
Der Earl sah
Rainbird an und gab ihm durch eine heftige Kopfbewegung zu verstehen, dass er
gehen solle.
»Das will ich nie
wieder erleben, dass du einen anderen Mann umarmst«, hörte Rainbird den Earl
sagen, als er die Treppe hinunterstieg. »Willst du mich durch Eifersucht
umbringen?«
Rainbird begann vor
sich hinzupfeifen. Er, Rainbird, hatte also einen Earl eifersüchtig gemacht!
Epilog
Im November pfiff der Wind beißend kalt
durch die Clarges Street, so dass es einem durch Mark und Bein ging. Er fegte
über die Stufen der Außentreppe von Nummer 67 und heulte unter der Küchentür.
»Um Gottes willen,
ist das kalt!« sagte Rainbird verdrießlich. »Was gibt's zum Abendessen,
MacGregor?«
»Nur Brot und
Käse«, brummte der Koch.
»Ich halte das
nicht mehr aus«, jammerte Joseph. »Wir frieren wieder alle, fühlen uns elend
und sind hungrig. Das nächste Mal, wenn wieder jemand meine Hilfe will, kann er
lange warten.«
»Ich werde es nie
bedauern, dass ich Miß Fiona geholfen habe«, sagte Rainbird streng. »Niemals.«
»Ich bin mir ganz
sicher, Palmer hat das Geld genommen«, rief Jenny heftig. »Mr. Blenkinsop hat
Mr. Rainbird erzählt, dass Palmer wußte, dass das Haus offen stand. Außerdem
ist Mr. Sinclairs Geld nicht angerührt worden.«
»Wir können es
nicht beweisen«, stellte Rainbird mit resigniertem Achselzucken fest. »Er wurde
jedenfalls gesehen, als er hineinging. Aber er
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