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01 - Tage der Sehnsucht

01 - Tage der Sehnsucht

Titel: 01 - Tage der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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mit einer Hand seinen Hut
festhielt und sich mit der anderen an der Lehne des Kutschbocks festklammerte.
»Wir werden uns immer wieder erkundigen müssen, ob jemand sie gesehen hat.«

    Rainbird wünschte, er hätte mehr Geld bei
sich. Denn jedes Mal, wenn sie die Pferde wechselten, war der Preis höher. Sie
verlangten zwar immer nur die besten bei jeder Poststation. Aber es war doch
seltsam, dass die Preise stiegen, je mehr man sich von London entfernte.
    Die Reisenden waren
müde, denn es war sehr warm. Aber an jeder Mautschranke ermunterte sie die
Nachricht, dass sie den Flüchtigen dicht auf den Fersen seien. Nicht nur war
Sir Edward Kirby erkannt worden, auch Lord Harrington - »der wie der
Teufel persönlich aussah« - war bereits vor ihnen durchgefahren.
    Lizzie saß
schweigend da und betete, dass Fiona nichts geschehen möge. Ihre Haut war vom
Straßenstaub bedeckt, und auch ihr hübsches neues Kleid hatte inzwischen eine
schmutziggraue Farbe angenommen. Es bestand eigentlich aus dem billigsten
Baumwollstoff, aber der Saum war reich mit Rosenknospen verziert. Mrs.
Middleton hatte darüber die Nase gerümpft und erklärt, dass das Kleid für eine
Küchenmagd zu flott sei. Doch Rainbird hatte durchgesetzt, dass Lizzie es
behalten durfte, und ihr obendrein noch zwei weitere Kleider geschenkt.
    Es hatte Lizzie
sehr getröstet, als sie erfuhr, dass auch Lord Harrington Fiona suchte. Sie
hatte ihn zwar nie zuvor gesehen, aber sie nahm fest an, dass eine so
hochstehende Person, Typen wie Sir Edward sicherlich gewachsen sein würde.
Dagegen bereitete ihr etwas anderes Sorge. Sie hatte nämlich das unbehagliche
Gefühl, sie hätten irgend etwas Wichtiges nicht getan, was sie unbedingt hätten
tun sollen. Die Kutsche schwankte dahin, während sich Lizzie verzweifelt daran
zu erinnern versuchte, was das Versäumte sei.

    Jonas Palmer war am selben Tag nach London
zurückgekehrt. Er kam von einer angenehmen Reise auf verschiedene Güter seines
Herrn zurück, wo die Diener vor ihm gekatzbuckelt und ihn aufs Beste bewirtet
hatten.
    Palmer wollte sich
nie eingestehen, dass für ihn Rainbird irgend etwas an sich hatte, das ihm
Furcht einflößte. So redete er sich ein, dass er am besten erst einmal in den
»Eiligen Lakaien« gehe, um sich ein bisschen umzuhören, was sich im Haus Nummer
67 so tat.
    Bei seinem Eintritt
lag der Schankraum ruhig, beinahe verlassen vor ihm. Nur ein paar Dienstboten
saßen herum. An einem Tisch hatte sich ein gewichtig dreinschauender alter Mann
in Livree niedergelassen. Nach angestrengtem Nachdenken erkannte Palmer ihn
schließlich als den Butler Blenkinsop. Er sprach ihn in einem rauhen, aber
herzlichen Ton an und fragte ihn, was er trinken wolle.
    Blenkinsop war nur
allzu froh, einen neuen Zuhörer für die Sünden von Lady Charteris, seiner
Herrin, gefunden zu haben.
    Palmer ließ ihn
geduldig ausreden und meinte dann beiläufig: »Ich habe gehört, dass mein Mieter
ein ziemlicher Geizkragen ist.«
    »Ach, dieser Mr.
Sinclair«, erwiderte Blenkinsop. »Ja, der ist ein Geizhals. Aber für die schöne
Miß Sinclair gilt das nicht; im Gegenteil, sie verdirbt uns die Dienstboten,
schenkt ihnen Geld und neue Livreen. Und heute sind sie alle in der feinsten
Aufmachung, die man je gesehen hat, ausgefahren.«
    Palmers Augen
weiteten sich. »Ich könnte mal durchs Haus gehen und sehen, was los ist. Alle
weggefahren, sagen Sie? Zum Teufel! Ich habe meine Schlüssel vergessen.«
    »Sie sind
weggefahren und haben alle Türen offengelassen«, sagte Mr. Blenkinsop. »Man
könnte jederzeit hineingehen.«
    »Wirklich? Ich
werde mich darum kümmern.« Palmer verließ den Schankraum und ging geradewegs in
die Clarges Street. Tatsächlich, die Haustür war offen. Als er sich über das
Außengeländer beugte, sah er, dass die Küchentür gleichfalls offen stand. Er
betrat das Haus durch den vorderen Eingang und rief laut: »Ist jemand da?« Aber
es erfolgte keine Antwort.
    Mr. Sinclair, der
über ihm in seinem Schlafzimmer lag, schlief tief.
    »Sie hat ihnen also
Geld geschenkt«, sagte Palmer zu sich. »Möchte wissen, wo Rainbird es verborgen
hat. Es ist nicht gut, wenn Dienstboten Geld haben. Sie könnten übermütig
werden und daran denken davonzulaufen.« Sogleich ging er in die Gesindestube
hinunter und begann in ihr eifrig herumzustöbern. Von der Speisekammer bis zum
Spülraum und der Küche suchte er alles ab. Sogar Lizzies Bett nahm er
auseinander. Das Geld konnte ja auch dort versteckt sein.

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