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01 - Tage der Sehnsucht

01 - Tage der Sehnsucht

Titel: 01 - Tage der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Prolog

    Der Winter hatte lange gedauert, und der
Frühling des Jahres 1807 schien ewig nicht kommen zu wollen. Es waren stürmische und kalte Tage unter einem
bleiernen, düsteren Himmel.
    Aber im Herzen
Londons, in Mayfair, gab es bereits erste Anzeichen, dass der Frühling das
Dunkle verdrängte. Im dichten Gras des Hyde-Parks blühten die Narzissen,
und ein Kirschbaum an der Ecke der South Audley Street streckte seine schweren
Zweige mit rosa Blüten in den trüben Himmel.
    Zwischen Grosvenor
und St. James's Square bereitete man sich auf die Frühjahrssaison vor und
machte sich draußen auf der Straße an den Stadthäusern zu schaffen. Messing
wurde mit Energie geputzt, Fensterrahmen gestrichen und Treppen geschrubbt.
    Trotz der Kühle
ging es laut und lebhaft zu. Das begann bei den Amseln, die oben auf den
Dächern ihre Lieder pfiffen, und endete unten auf der Straße, wo die Diener in
ihren neuen Livreen dahineilten und sich auf die kommende Saison freuten, die
ihnen gutes Essen und zusätzlichen Lohn versprach.
    Aber es gab eine Ausnahme, die Clarges Street Nummer 67.
    Im ersten Moment dachte man, in Nummer 67 sei jemand gestorben. Die Rolläden waren herabgelassen, und die schwarze,
bescheidene Fassade erinnerte in der eleganten Straße an ein
Bestattungsunternehmen. Neben der hohen Stufe am Eingang lagen zwei angekettete
eiserne Hunde. Sie blickten auf ihre Pfoten, als ob sie schon lange jede
Hoffnung auf Befreiung aufgegeben hätten. Obgleich es gang und gäbe war,
während der Londoner Saison ein Haus in Mayfair zu einem überhöhten Preis für
eine gelegentlich minderwertige Unterkunft zu mieten, stand Nummer 67 leer. Und das
schien auch so zu bleiben, obgleich die Miete angemessen und das Gebäude in
gutem Zustand war.
    Bedauerlicherweise
galt Nummer 67 als »unglückbringend«, und das in einer Zeit, als das
Spielfieber grassierte und vom Lord bis zum Spülmädchen jeder abergläubisch
war. Das Haus gehörte dem zehnten Herzog von Pelham, einem jungen Mann. Der
neunte Herzog hatte sich hier erhängt. Das war aber nicht der einzige Grund
dafür, dass es während zweier Saisons leer stand und dass sich wahrscheinlich
auch in der dritten Saison das Blatt nicht wenden würde. Nach dem Tode des
Herzogs hatte nämlich eine Familie das Haus Nummer 67 gemietet, aber infolge
der Spielleidenschaft des Sohnes ihr ganzes Geld verloren. Die nächste Familie
erlitt ein noch schlimmeres Schicksal. Ihre junge hübsche Tochter Clara wurde
mitten im Green Park tot aufgefunden, ohne Verletzung oder irgendeinen Hinweis
auf die Todesursache.
    Das Stadthaus blieb
leer, obwohl der Agent des jetzigen Herzogs eine immer bescheidenere Miete
verlangte. Der junge Herzog studierte an der Universität in Oxford und schien
sich nicht weiter für das Haus zu interessieren. Es war nur eines seiner vielen
Besitztümer. Außerdem hatte er eine Villa am Grosvenor Square.
    Das Personal war
noch zu Zeiten des alten Herzogs gegen sehr niedrigen Lohn eingestellt worden.
Und daran hatte sich auch nichts geändert, weil der junge Herzog, der die
Verwaltung des Hauses ganz seinem Agenten überließ, noch gar nicht bemerkt
hatte, dass es in Nummer 67 eine Dienerschaft gab, die das ganze Jahr über da
war. Die Diener konnten von ihren Löhnen kaum die Mahlzeiten bestreiten. Aber
solange das Haus vermietet war, hatten sie die Möglichkeit, bei den zahlreichen
Gesellschaften, die gegeben wurden, ihr Essen und ihren Lohn aufzubessern. Der
Tisch der Dienerschaft hatte sogar unter der Last der übriggebliebenen Speisen
geächzt. In den Taschen der Livreen und Schürzen hatten die Trinkgelder der
reichen Dinnergäste geklimpert. Doch ohne Mieter waren die Diener arm dran.
Deshalb blickte das Personal von Nummer 67 finster auf die glücklicheren
Rivalen in den Nachbarhäusern, die wieder ein paar einträgliche Monate vor sich
hatten.
    Der Agent, der die
Diener eingestellt hatte, war ein brutaler Mann Mr. Jonas Palmer. In den
Büchern, die er seinem Herrn vorlegen wollte, verzeichnete er hohe Löhne,
obwohl er den Dienern fast nichts zahlte. Bisher hatte der junge Herzog noch
nicht darum gebeten, die Bücher einsehen zu dürfen, aber Palmer war sich
darüber im klaren, dass dieser Tag bald käme, und war darauf vorbereitet.
    Keiner der Diener
konnte es sich leisten, zu kündigen und eine andere Stelle anzunehmen. Denn
Palmer hatte sie alle in der Gewalt und wollte, dass sie auf ihrem Posten
blieben, damit er seinen Herrn weiterhin betrügen konnte. Die

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