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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einem Gewehr. Ich konnte mir in diesem Augenblick keine größere Karikatur eines Präriejägers denken, doch sollte keine lange Zeit vergehen, bis ich den Wert dieses originellen Männchens vollauf erkennen lernte.
    Nachdem er mich genau betrachtet hatte, fragte er den Büchsenmacher mit einer dünnen Stimme, die wie eine Kinderstimme klang:
    „Ist dies das junge Greenhorn, von dem Ihr mir erzählt habt, Mr. Henry?“
    „Yes“, nickte dieser.
    „Well! Gefällt mir gar nicht übel. Hoffe, das Sam Hawkens ihm auch gefallen wird, hihihihi!“
    Mit diesem feinen, ganz eigenartigen Lachen, welches ich später noch tausendmal von ihm gehört habe, wendete er sich nach der Tür, die sich in diesem Augenblick öffnete. Der Herr und die Dame des Hauses traten ein und begrüßten den Jäger in einer Weise, welche vermuten ließ, daß sie ihn schon einmal gesehen hatten. Das war hinter meinem Rücken geschehen. Dann luden sie uns ein, in das Speisezimmer zu treten.
    Wir folgten dieser Aufforderung, wobei Sam Hawkens zu meinem Erstaunen gar nicht vorher ablegte. Erst als wir unsere Plätze an der Tafel angewiesen erhielten, sagte er, indem er auf seinen alten Schießprügel deutete:
    „Ein richtiger Westmann läßt sein Gewehr niemals aus den Augen und ich meine brave Liddy erst recht nicht. Werde sie dort an die Gardinenrosette hängen.“
    Also Liddy nannte er sein Gewehr! Später erfuhr ich freilich, daß es die Gewohnheit vieler Westläufer ist, ihr Gewehr wie ein lebendes Wesen zu behandeln und ihm einen Namen zu geben. Er hing es an die genannte Stelle und wollte den famosen Hut hinzufügen; als er ihn abnahm, blieb zu meinem Entsetzen sein ganzes Kopfhaar an demselben hängen. Es war wirklich zum Erschrecken, welchen Anblick nun sein hautloser, blutigroter Schädel bot. Die Lady schrie laut auf, und die Kinder kreischten, was sie konnten. Er aber wandte sich zu uns um und sagte ruhig:
    „Erschreckt nicht, Myladies und Mesch'schurs; es ist ja weiter nichts! Hatte meine eigenen Haare mit vollem Recht und ehrlich von Kindesbeinen an getragen, und kein Advokat wagte es, sie mir streitig zu machen, bis so ein oder zwei Dutzend Pawnees über mich kamen und mir die Haare samt der Haut vom Kopf rissen. War ein verteufelt störendes Gefühl für mich, habe es aber glücklich überstanden, hihihihi! Bin dann nach Tekama gegangen und habe mir einen neuen Skalp gekauft, wenn ich mich nicht irre; wurde Perücke genannt und kostete mich drei dicke Bündel Biberfelle. Schadet aber nichts, denn die neue Haut ist viel praktischer als die alte, besonders im Sommer; kann sie abnehmen, wenn mich schwitzt, hihihihi .“
    Er hing den Hut zur Flinte und stülpte sich die Perücke wieder auf den Kopf. Dann zog er den Rock aus und legte ihn über den Stuhl. Dieser Rock war viele, viele Male geflickt und ausgebessert worden, immer ein Lederfetzen wieder auf den anderen genäht, und dadurch hatte dieses Kleidungsstück eine Steifheit und Dicke erlangt, daß wohl kaum ein Indianerpfeil hindurchkommen konnte.
    Nun sahen wir seine dünnen, krummen Beine ganz. Der Oberkörper stak in einer ledernen Jagdweste. Im Gürtel hatte er ein Messer und zwei Pistolen stecken. Als er seinen Stuhl an der Tafel wieder erreichte, warf er erst auf mich und dann auf die Dame des Hauses einen listigen Blick und fragte:
    „Mag Mylady nicht, bevor wir an das Essen gehen, diesem Greenhorn sagen, um was es sich handelt, wenn ich mich nicht irre?“
    Der Ausdruck ‚wenn ich mich nicht irre’ war bei ihm zur stehenden Redensart geworden. Die Lady nickte, drehte sich mir zu, deutete auf den jüngeren Gast und sagte:
    „Ihr werdet vielleicht noch nicht wissen, daß Mr. Black hier Euer Nachfolger ist, Sir.“
    „Mein – Nach – folger?“ stieß ich ganz betroffen hervor.
    „Jawohl. Da wir heut Euern Abschied von uns feiern, waren wir gezwungen, uns nach einem neuen Lehrer umzusehen.“
    „Meinen – – – Abschied – – –?“
    Heut preise ich das Schicksal, daß ich in jenem Augenblick nicht photographiert worden bin, denn ich habe jedenfalls wie die personifizierte Verblüfftheit ausgesehen.
    „Ja, Euern Abschied, Sir“, nickte sie mit einem wohlwollenden Lächeln, welches ich aber nicht für am Platz fand, denn mir selbst war keineswegs wie lächeln. Sie fügte hinzu: „Es hätte eigentlich gekündigt werden sollen, doch wollen wir Euch, den wir so liebgewonnen haben, nicht hinderlich sein, Euer Glück so bald wie möglich zu ergreifen. Es

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