Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
tut uns innig leid, Euch von uns gehen zu sehen, doch geben wir Euch unsere besten Wünsche mit. Reist in Gottes Namen morgen ab!“
    „Abreisen? Morgen? Wohin denn?“ brachte ich nur mühsam hervor.
    Da schlug mir Sam Hawkens, der neben mir stand, mit der Hand auf die Achsel und antwortete lachend:
    „Wohin? Nach dem wilden Westen mit mir. Ihr habt ja Euer Examen glänzend bestanden, hihihihi! Die anderen Surveyors reiten morgen fort und können nicht auf Euch warten; Ihr müßt unweigerlich mit. Ich und Dick Stone und Will Parker, wir sind als Führer engagiert, immer den Canadian hinauf und ins New-Mexiko hinein. Denke doch nicht, daß Ihr hier und ein Greenhorn bleiben wollt!“
    Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das alles war abgekartete Sache gewesen! Surveyor, Feldmesser, vielleicht gar für eine der großen Bahnen, welche geplant wurden. Welch ein froher Gedanke! Ich brauchte gar nicht zu fragen; ich erhielt die Auskunft unaufgefordert, denn mein alter, guter Henry trat zu mir, faßte mich bei der Hand und sagte:
    „Hab's Euch ja schon gesagt, weshalb ich Euch gern habe. Ihr seid hier bei braven Menschen, aber ein Hauslehrerposten ist nichts für Euch, Sir, gar nichts. Ihr müßt nach dem Westen. Habe mich darum an die Atlantic and Pacific Company gewendet und Euch examinieren lassen, ohne daß Ihr es wußtet. Habt gut bestanden. Hier ist die Installation.“
    Er gab mir das Dokument. Als ich einen Blick in dasselbe warf und da mein wahrscheinliches Einkommen verzeichnet fand, gingen mir die Augen über. Er aber fuhr fort:
    „Es wird geritten; Ihr braucht also ein gutes Pferd. Habe den Rotschimmel gekauft, den Ihr selbst zugeritten habt; sollt ihn bekommen. Und Waffen müßt Ihr auch haben; werde euch den Bärentöter mitgeben, das alte, schwere Gun, welches ich nicht brauchen kann, mit dem aber Ihr bei jedem Schuß ins Schwarze trefft. Was sagt Ihr dazu, Sir, he?“
    Ich sagte zunächst gar nichts; dann, als ich die Sprache wiederfand, wollte ich die Gaben von mir weisen, hatte aber keinen Erfolg. Diese guten Menschen hatten beschlossen, mich glücklich zu machen, und es hätte sie tief gekränkt, wenn ich bei meiner Ablehnung geblieben wäre. Um, wenigstens für einstweilen, alle Weiterungen abzuschneiden, nahm die Lady an der Tafel Platz, und wir anderen waren gezwungen, ihrem Beispiel zu folgen; es wurde gegessen, und das Thema durfte nicht gleich wieder aufgenommen werden.
    Erst nach dem Tisch erfuhr ich, was ich wissen mußte. Die Bahn sollte von St. Louis aus durch das Indian-Territory, New Mexiko, Arizona und Kalifornien nach der Pacific-Küste gehen, und man hatte den Plan gefaßt, diese weite Strecke in einzelnen Sektionen erforschen und ausmessen zu lassen. Diejenige Sektion, welche mir und noch drei anderen Surveyors unter einem Oberingenieur zugefallen war, lag zwischen dem Quellgebiet des Rio Pecos und des südlichen Canadian. Die drei bewährten Führer Sam Hawkens, Dick Stone und Will Parker sollten uns dorthin bringen, wo wir eine ganze Schar von wackeren Westmännern vorfinden würden, die für unsere Sicherheit zu sorgen hatten. Natürlich waren wir außerdem auch des Schutzes aller Fortbesatzungen sicher. Um mich so recht zu überraschen, war mir dies alles erst heut mitgeteilt worden, freilich etwas sehr spät. Doch beruhigte mich die Mitteilung, daß für meine vollständige Ausrüstung bis auf das kleinste gesorgt worden sei. Es blieb mir nichts weiter zu tun, als mich meinen Kollegen vorzustellen, welche in der Wohnung des Oberingenieurs auf mich warteten. Ich ging in Begleitung von Henry und Sam Hawkens hin und wurde auf das freundlichste begrüßt. Sie wußten, daß ich hatte überrascht werden sollen, und konnten mir also die Verspätung nicht übelnehmen.
    Als ich am anderen Morgen zunächst von der deutschen Familie Abschied genommen hatte, ging ich zu Henry. Er schnitt meine Dankesworte dadurch ab, daß er, mir die Hände herzlich schüttelnd, in seiner derben Weise mich unterbrach:
    „Haltet den Schnabel, Sir! Ich habe Euch doch nur deshalb hinausgeschickt, damit mein altes Gun wieder einmal mitreden kann. Kehrt Ihr zurück, so sucht mich auf und erzählt, was Ihr erlebt und erfahren habt. Dann wird es sich zeigen, ob Ihr das noch seid, was Ihr heute seid und doch nicht glauben wollt, nämlich ein Greenhorn, wie es im Buch steht!“
    Damit schob er mich zur Tür hinaus, doch ehe er sie schloß, sah ich, daß ihm das Wasser in den Augen

Weitere Kostenlose Bücher