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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Junge seine Augen neugierig an eine Ritze des Kaninchenstalles legt, um die Karnickels zu belauschen! O, Greenhorn, was muß ich alles an Euch erleben! Nicht beobachten und belauschen, sondern jagen werde ich sie, wirklich jagen!“
    „Heut, am Sonntag!“
    Das fuhr mir so unbedacht heraus. Er wurde wirklich zornig darüber und herrschte mich an:
    „Haltet gefälligst Euren Schnabel, Sir! Was fragt ein richtiger Westmann nach dem Sonntag, wenn er die ersten Büffel vor sich sieht! Das gibt Fleisch, verstanden, Fleisch, und was für welches, wenn ich mich nicht irre! Ein Stück Bisonlende ist noch herrlicher als das himmlische Ambrosius oder Ambrosianna, oder wie das Zeug hieß, von welchem die alten griechischen Götter lebten. Ich muß eine Büffellende haben, und wenn es mich das Leben kosten sollte! Die Luft ist uns entgegen; das ist gut. Hier, an der linken, nördlichen Talwand ist nur Sonne; drüben rechts aber gibt es Schatten. Wenn wir uns in diesem halten, werden uns die Tiere nicht vorzeitig bemerken. Kommt!“
    Er sah nach seiner ‚Liddy’, ob die beiden Läufe derselben in Ordnung seien, und trieb sein Pferd nach der südlichen Talwand hinüber. Diesem Beispiel folgend, untersuchte ich auch meinen Bärentöter. Er sah dies, hielt sofort sein Pferd an und fragte:
    „Wollt Ihr Euch etwa gar beteiligen, Sir?“
    „Natürlich!“
    „Das laß hübsch bleiben, wenn Ihr nicht binnen jetzt und zehn Minuten zu Brei zerstampft sein wollt! Ein Bison ist kein Kanarienvogel, den man auf den Finger nimmt und singen läßt. Ehe Ihr Euch an so gefährliches Wild wagen dürft, muß noch viel schönes und viel schlechtes Wetter über die Felsenberge gehen.“
    „Aber ich will doch  – – –“
    „Schweigt und gehorcht!“ unterbrach er mich in einem Ton, den er noch nie gegen mich angewendet hatte. „Ich will Euer Leben nicht auf dem Gewissen haben, und es ist der Rachen des sichersten Todes, in den Ihr reiten würdet. Macht zu andern Zeiten, was Ihr wollt; jetzt aber dulde ich keine Widersetzlichkeit!“
    Hätte nicht ein so gutes Verhältnis zwischen uns bestanden, es wäre ihm gewiß eine sehr kräftige Antwort geworden, so aber schwieg ich und ritt langsam im Schattenstreifen, den der Wald herniederwarf, hinter ihm her. Dabei erklärte er mir, nun wieder in milderem Ton sprechend:
    „Es sind zwanzig Stück, wie ich sehe. Aber seid einmal dabei, wenn tausend und noch mehr Stück über die Savanne brausen! Ich habe früher Herden von zehntausend und darüber gesehen. Das war des Indianers Brot; die Weißen haben es ihm genommen. Der Rote schonte das Wild, weil es ihm Nahrung gab; er erlegte nur so viel, wie er brauchte. Der Weiße aber hat unter den ungezählten Herden gewütet wie ein grimmiges Raubtier, welches auch dann, wenn es gesättigt ist, weiter mordet, nur um Blut zu vergießen. Wie lange wird es dauern, so gibt es keinen Büffel und dann nach kurzer Zeit auch keinen Indianer mehr. Gott sei es geklagt! Und grad so ist's auch mit den Pferdeherden. Es gab Trupps von tausend Mustangs und noch höher. Jetzt ist man ganz entzückt, wenn man das Glück hat, einmal so einhundert Stück beisammen zu sehen.“
    Wir waren indessen bis auf ungefähr vierhundert Schritt an die Büffel gekommen, ohne daß sie uns bemerkten, und Hawkens hielt sein Pferd an. Die Tiere grasten langsam talaufwärts. Am weitesten vorgerückt war ein alter Bulle, dessen Riesenleib ich mit Erstaunen betrachtete. Er war ganz gewiß gegen zwei Meter hoch und wohl drei Meter lang; damals verstand ich das Gewicht eines Bisons noch nicht zu taxieren; heut sage ich, daß dieser hier wohl an die dreißig Zentner wiegen konnte, eine ganz erstaunliche Fleisch- und Knochenmasse. Er war auf eine Schlammlache gestoßen und wälzte sich behaglich in derselben.
    „Das ist der Leitstier“, flüsterte Sam, „der Gefährlichste der ganzen Gesellschaft. Wer mit dem anbindet, muß sein Testament unterschrieben haben. Ich nehme die junge Kuh rechts dahinten. Paßt auf, wohin ich ihr die Kugel gebe! Hinter dem Schulterblatt von der Seite schräg in das Herz hinein; das ist der beste, ja der einzig sichere Schuß außer dem in das Auge; aber welcher nicht wahnsinnige Mensch wird einen Bison von vorn nehmen, um ihn in das Auge zu treffen! Bleibt hier halten, und drückt Euch mit dem Pferd ins Gesträuch! Wenn sie mich sehen und dann fliehen, wird die wilde Jagd grad hier vorübergehen. Laßt es Euch aber ja nicht einfallen, diese Stelle zu verlassen,

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