Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
andere Menschen sein, nämlich die Feinde ihrer Feinde und die Freunde ihrer Freunde. Und da es nicht meine Absicht ist, sie feindlich zu behandeln, so nehme ich an, daß ich nichts von ihnen zu befürchten habe.“
    „Ihr seid eben ein Greenhorn und werdet es ewig bleiben. Nehmt Euch noch so fest vor, wie Ihr die Roten behandeln wollt, es wird doch ganz, ganz anders kommen. Die Ereignisse sind doch nicht von Eurem Willen abhängig. Ihr werdet das erfahren, und ich will wünschen, daß diese Erfahrung Euch nicht einen tüchtigen Fetzen Menschenfleisch aus Eurem eigenen Leib oder gar das Leben kostet.“
    „Wann mag dieser Indsman hier gewesen sein?“
    „Vor ungefähr zwei Tagen. Wir würden seine Spuren hier im Gras sehen, wenn es sich nicht während der Zeit wieder aufgerichtet hätte.“
    „Ein Kundschafter wohl?“
    „Ein Kundschafter auf Büffelfleisch, ja; denn da jetzt Friede zwischen den hiesigen Stämmen herrscht, kann es kein Kriegskundschafter gewesen sein. Der Kerl war außerordentlich unvorsichtig, also sehr wahrscheinlich jung.“
    „Wieso?“
    „Ein erfahrener Krieger tritt nicht mit dem Fuß in ein Wasser wie dieses hier, wo die Spur auf dem seichten Grund zurückbleibt und noch lange gesehen werden kann. So eine Dummheit kann nur von einem Dummkopf begangen werden, der gerade so ein rotes Greenhorn ist, wie Ihr ein weißes seid, hihihihi. Und weiße Greenhorns pflegen sogar noch viel dümmer zu sein als rote. Könnt Euch das mit merken, Sir!“
    Er kicherte leise in sich hinein und stand dann auf, um sein Pferd zu besteigen. Der gute Sam liebte es eben, mir seine herzliche Zuneigung dadurch zu verstehen zu geben, daß er mich für dumm erklärte.
    Wir hätten auf dem Weg, den wir gekommen waren, zurückkehren können; aber als Surveyor war es meine Aufgabe, unsere Strecke kennenzulernen; darum bogen wir erst ein Stück ab und schlugen dann die Parallele ein.
    Dabei kamen wir in ein ziemlich breites Tal, welches mit saftigem Gras bewachsen war; die Lehnen, von denen es hüben und drüben eingesäumt wurde, trugen unten Gebüsch und weiter oben Wald. Das Tal war vielleicht eine halbe Wegstunde lang und so schnurgerade, daß man von dem Anfang desselben bis an das Ende sehen konnte. Wir waren nur wenige Schritte in dieser freundlichen Bodensenkung vorwärts gekommen, da hielt Sam sein Pferd an und blickte aufmerksam nach vorn.
    „Heigh-day!“ stieß er hervor. „Da sind sie! Ja wirklich, da sind sie, die allerersten!“
    „Was?“ fragte ich. Ich sah ganz fern, weit vor uns, vielleicht achtzehn bis zwanzig dunkle Punkte, welche sich langsam bewegten.
    „Was?“ wiederholte er meine Frage, indem er lebhaft im Sattel hin und her rutschte. „Schämt Euch doch, eine solche Frage auszusprechen! Ach so, Ihr seid ja ein Greenhorn, und zwar ein ganz gewaltiges! Solche Kerls wie Ihr pflegen mit offenen Augen nicht zu sehen. Habt doch einmal die freundliche Gewogenheit, verehrtester Sir, zu raten, was das für Dinger sind, auf denen dort Eure schönen Augen ruhen!“
    „Raten? Hm! Ich würde sie für Rehe halten, wenn ich nicht wüßte, daß diese Wildgattung in Rudeln oder Sprüngen von nicht über zehn Stück beisammen lebt. Auch muß ich, wenn ich die Entfernung in Betracht ziehe, sagen, daß die Tiere dort, so klein sie von hier aus zu sein scheinen, bedeutend größer als Rehe sein müssen.“
    „Rehe, hihihihi!“ lachte er. „Rehe hier oben an den Quellen des Canadian! Das ist ein Meisterstück von Euch! Aber das andere, was Ihr sagtet, war gar nicht so übel überlegt. Ja, größer sind sie, diese Tiere, viel, viel größer als Rehe!“
    „Ach, lieber Sam, doch nicht etwa gar Büffel?“
    „Natürlich Büffel! Bisons sind es, echte wahre Bisons, die sich auf der Wanderung befinden, die ersten, die ich heuer sehe. Nun wißt Ihr, daß Mr. White recht gehabt hat: Bisons und Indianer. Von den Roten sahen wir nur eine Fußspur; die Büffel aber haben wir in Lebensgröße vor den Augen. Was sagt Ihr dazu, he, wenn ich mich nicht irre?“
    „Wir müssen hin!“
    „Natürlich!“
    „Sie beobachten!“
    „Beobachten? Wirklich beobachten?“ fragte er, indem er mich ganz erstaunt von der Seite her anblickte.
    „Ja. Ich habe noch nie Bisons gesehen und möchte diese hier so gern belauschen.“
    Ich fühlte jetzt nur das Interesse des Zoologen; das war dem kleinen Sam vollständig unbegreiflich. Er schlug die Hände zusammen und meinte:
    „Belauschen, nur belauschen. Grad so, wie ein kleiner

Weitere Kostenlose Bücher