01 - Winnetou I
dann auf derselben Stelle, wo er stand, zusammen.
Ich hätte vor Freude über diesen schweren Sieg hell aufjubeln mögen, hatte aber Notwendigeres zu tun. Mein Pferd setzte reiterlos nach rechts hinunter, während ich Sam Hawkens am jenseitigen Talrand dahingaloppieren sah, von einem Stier verfolgt, welcher nicht viel kleiner als mein Bulle war. Man muß wissen, daß der Bison, einmal gereizt, nicht von seinem Gegner läßt und es dabei an Schnelligkeit mit dem Pferd aufnimmt. Er entwickelt dann einen Mut, eine List und eine Ausdauer, die ihm vorher gewiß niemand zutraut.
So war auch dieser Stier dem Reiter hart auf den Fersen. Um ihm zu entgehen, mußte Hawkens die gewagtesten Wendungen machen, welche das Pferd ermüdeten; es hielt jedenfalls nicht so lange aus wie der Büffel; da war also Hilfe dringend nötig. Ich hatte keine Zeit, nachzusehen, ob mein Bulle wirklich tot sei oder nicht; ich lud schnell beide Läufe des Bärentöters und sprang dann über das Tal hinüber. Sam sah dies; er wollte der Hilfe entgegenkommen und warf sein Pferd in die Richtung nach mir herum. Das war ein großer Fehler, denn der Stier, welcher eng hinter ihm war, bekam dadurch das Pferd quer vor sich; ich sah, daß er die Hörner senkte; ein Stoß, und er hob das Pferd samt dem Reiter empor und ließ, als sie dann zur Erde stürzten, mit wütenden und schüttelnden Stößen nicht von ihnen ab. Sam schrie um Hilfe, was er schreien konnte. Ich war wohl noch hundertfünfzig Schritte entfernt und durfte keinen Augenblick zögern. Der Schuß wäre zwar aus größerer Nähe sicherer gewesen, aber wenn ich zauderte, konnte Sam verloren sein, und wenn ich ja nicht gut traf, hatte ich doch hoffentlich den Erfolg, das Untier von dem Freund abzulenken. Ich blieb also stehen, zielte hinter das linke Schulterblatt und schoß. Der Büffel hob den Kopf mit einer Bewegung, als ob er horchen wolle, und drehte sich langsam um. Da sah er mich und kam auf mich zugerannt, doch mit sich verringernder Schnelligkeit; dadurch glückte es mir, den abgeschossenen Lauf mit fiebernder Eile wieder zu laden, und ich war damit fertig, als das Tier höchstens noch dreißig Schritte zu mir zu machen hatte. Es konnte nicht mehr rennen; seine Bewegungen waren nur noch ein langsames Laufen; aber mit tief gesenktem Kopf und blutunterlaufenen, grausam vorwärtsglotzenden Augen kam es auf mich zu, näher und näher wie ein schweres Verhängnis, welches nicht aufzuhalten ist. Da kniete ich nieder und legte das Gewehr an. Diese Bewegung verursachte den Bison, stehenzubleiben und den Kopf ein wenig zu heben, um mich besser oder voller sehen zu können. Das brachte die tückischen Augen vor meine beiden Läufe; ich schickte eine Kugel in das rechte und die andere in das linke – ein kurzes Zittern ging durch den Leib, dann stürzte die Bestie nieder.
Ich sprang auf, um zu Sam zu eilen, doch war dies nicht notwendig, denn ich sah ihn gelaufen kommen.
„Halloo!“ rief ich ihm zu. „Ihr lebt? Ihr seid nicht schwer verletzt?“
„Gar nicht“, antwortete er. „Nur die rechte Hüfte tut mir weh vom Sturz, oder ist's die linke, wenn ich mich nicht irre; ich kann es nicht ganz genau wegbekommen.“
„Und Euer Pferd?“
„Ist hin. Es lebt zwar noch, doch hat ihm der Büffel den ganzen Leib aufgerissen. Um seine Leiden abzukürzen, müssen wir es erschießen, das arme Tier. Ist der Bison tot?“
„Hoffe es; wollen ihn untersuchen.“
Wir taten dies und überzeugten uns, daß kein Leben mehr in ihm war. Da sagte Hawkens mit einem tiefen, tiefen Atemzug:
„Hat mir dieser alte, brutale Ochse zu schaffen gemacht! Eine Kuh wäre zarter mit mir umgegangen. Freilich, Ochsen darf man nicht zumuten, ladylike zusein, hihihihi!“
„Wie ist er denn auf den dummen Gedanken gekommen, mit Euch anzubinden?“
„Habt Ihr das nicht gesehen?“
„Nein.“
„Nun, ich schoß die Kuh nieder und konnte, da mein Pferd im Galoppieren war, es grad erst in dem Augenblick anhalten, als es an diesen Ochsen anrannte. Das nahm er übel und nahm mich aufs Korn. Ich gab ihm zwar schnell die zweite Kugel, die ich in meiner Liddy hatte, sie scheint ihn aber nicht vernünftiger gemacht zu haben, denn er bewies mir eine Zuneigung, welche ich ihm nicht erwidern konnte. Er hat mich so gehetzt, daß es mir unmöglich war, das Gewehr wieder zu laden; ich habe es weggeworfen, weil es mir doch nichts nützte und ich dadurch die Hände zur besseren Leitung des Pferdes frei bekam, wenn ich mich nicht
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