010 - Die Todesengel
die Flammen im Puppenhaus zu ersticken.
»Was ist passiert?« fragte eine Frauenstimme besorgt in der Tür. Es war Coco, die vor wenigen Tagen aus ihrem Urlaub in der Karibik nach London zurückgekehrt war.
»Es sieht so aus, als hätte Don sein Puppenhaus in Brand gesetzt«, erklärte Dorian.
»Was hat das alles zu bedeuten, Dorian?« fragte Coco. »Warum sind all die Secret-Service-Agenten hier? Hier geht es wie in einem Tollhaus zu.«
»Das hast du richtig erkannt.« Er erklärte ihr kurz, was vorgefallen war, und äußerte seine Vermutung, daß dies nur der Anfang sein dürfte. »Bis auf weiteres verläßt niemand das Haus. Hier sind wir immer noch am sichersten.«
Wie um seinen Worten Hohn zu sprechen, gellte ein schriller Schrei durchs Treppenhaus. Als Dorian hinauslief, sah er Miß Martha Pickford die Treppe herunterhetzen. Ihr dicht auf den Fersen war der Hermaphrodit Phillip. Sein Gesicht war eine Fratze, Martha Pickfords Gesicht von blutigen Striemen entstellt, so als hätte irgend jemand es mit Krallen zerkratzt.
Coco fing die Haushälterin auf; gleichzeitig sprang Dorian Phillip in den Weg und schlug ihn mit einem Fausthieb bewußtlos.
Miß Pickford riß sich von Coco los und beugte sich besorgt über den Hermaphroditen. Als sie feststellte, daß er ohnmächtig war, sah sie haßerfüllt zu Dorian auf.
»Sie – Sie Schläger!« schrie sie ihn an. »Sie hätten ihn umbringen können.«
»Phillip hätte das zweifellos mit Ihnen getan, wenn er Sie erwischt hätte«, entgegnete Dorian barsch. »Er war wie von Sinnen. Und er wird vermutlich auch weiterhin unberechenbar und aggressiv bleiben. Wir müssen ihn in seinem Zimmer einsperren.«
»Wie ist das möglich?« fragte Miß Pickford verständnislos. »Phillip muß doch fühlen, was ich für ihn empfinde, daß ich ihn liebe wie …«
»Er ist für sein Tun nicht verantwortlich«, erklärte Dorian. »Er ist als Zwitterwesen noch mehr als wir den Einflüssen der Schwarzen Magie ausgesetzt. Die Dämonen können ihm zwar nicht direkt etwas anhaben, aber Phillip muß die Erscheinungen um ihn herum erst einmal verarbeiten. Ich werde ihn auf sein Zimmer bringen und Steve Powell vor seiner Tür postieren. Sie bleiben Phillip einstweilen fern, Miß Pickford!«
Dorian fragte sich selbst, ob es notwendig gewesen war, Phillip so brutal niederzuschlagen. Er hätte den Hermaphroditen umbringen können. Es war ein Wunder, daß er mit einer leichten Gehirnerschütterung davongekommen war.
Inzwischen war es Nacht, aber in der Jugendstilvilla brannten alle Lichter. Heute würde niemand von ihnen Schlaf finden können. Dorian glaubte, die Mächte des Bösen körperlich zu spüren. Sie lauerten in den dunklen Winkeln und warteten auf eine Gelegenheit, sich der hier lebenden Menschen bemächtigen zu können.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, dem Terror ein Ende zu bereiten«, sagte Coco. Ihre verbliebenen übernatürlichen Fähigkeiten schienen ihr einen gewissen Schutz zu bieten. Sie war bisher am wenigsten von den Attacken betroffen.
»Was sollen wir tun?« fragte Dorian.
»Du mußt für eine Weile von der Bildfläche verschwinden.«
»Was soll ich?«
Coco fuhr ruhig fort: »Du weißt, daß sich die Angriffe nur gegen dich richten. Du hast Asmodi eine persönliche Niederlage zugefügt, als du seine Geliebte, die Hexe Reuchlin, getötet und dann noch seinen Hexensabbat auf Borneo gestört hast. Er will dich zur Strecke bringen. Wenn du dich aber seinem Zugriff entziehst, würde Asmodi uns in Ruhe lassen.«
»Du willst mich wohl loswerden?« fragte Dorian giftig. Er warf Steve Powell einen feindseligen Blick zu. »Glaubst du, ich habe nicht bemerkt, was sich hinter meinem Rücken abspielt? Du hast dich in dieses Milchgesicht verknallt!«
Steve Powell wurde rot. »Mr. Hunter …«
»Er weiß nicht, was er redet«, erklärte Coco und sah Dorian fest an. »Merkst du es denn nicht, daß du nicht mehr du selbst bist, Dorian? Asmodi hat dich bereits in seinen Bann geschlagen. Wenn du dich seinem Einfluß nicht entziehst, wird er dich zerbrechen.«
Dorian lachte irre. In seinen Augen brannte ein wildes Feuer. So hatte Coco ihn bisher selten gesehen. »Asmodi kann mir nichts anhaben«, rief er lachend. »Er hat mir vor fast fünfhundert Jahren die Unsterblichkeit gegeben und kann sie mir nicht so einfach wieder nehmen. Wenn er meinen Körper tötet, werde ich in einem neuen erwachen – wie in all den vergangenen Jahrhunderten. Ich bin unsterblich.«
Coco
Weitere Kostenlose Bücher