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Der Zug war pünktlich

Der Zug war pünktlich

Titel: Der Zug war pünktlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Das Buch

    Die umfangreiche Erzählung ›Der Zug war pünktlich‹ – noch unter dem unmittelbaren Eindruck des Krieges geschrieben – war die erste Buchausgabe, mit der Heinrich Böll 1949 an die Öffent-lichkeit trat. Die Geschichte beginnt auf dem Bahnhof einer Stadt im Ruhrgebiet. Ein Soldat sucht sich einen Platz im Fronturlauber-zug, der ihn an die Ostfront zurückbringen soll. Es wird eine trostlose Fahrt. »Bald bin ich tot. Ich werde sterben, bald«, denkt der Soldat. Männer, die der Zufall zusammengewürfelt hat, spielen Skat, teilen miteinander Brot und Wurst und versuchen ihre Angst mit Schnaps zu betäuben. Andreas erinnert sich an seinen Freund, an eine Frau, in deren Augen er nur für Bruchteile einer Sekunde blicken konnte, er denkt an seine früheren Verwundungen, und er haßt alle, die den Krieg als eine Selbstverständlichkeit empfinden.
    In Lemberg hält der Zug. Hier begegnet Andreas einer polnischen Spionin, die als Prostituierte Nachrichten für den polnischen Widerstand sammelt. Die Frau hat Mitleid mit dem Deutschen. Sie will ihn retten. Für Andreas verstärkt sich jedoch die Gewißheit des nahen Todes. Böll hat diese Geschichte vom sinnlosen Sterben mit einem über-zeugenden Realismus zu einer erbitterten Anklage gegen den Krieg verdichtet.

    Der Autor

    Heinrich Böll, am 21. Dezember 1917 in Köln geboren, war nach dem Abitur Lehrling im Buchhandel. Danach Studium der Germa-nistik. Im Krieg sechs Jahre Soldat. Seit 1947 veröffentlichte er Erzählungen, Romane, Hör- und Fernsehspiele, Theaterstücke und war auch als Übersetzer aus dem Englischen tätig. 1972 erhielt Böll den Nobelpreis für Literatur. Er starb am 16. Juli 1985 in Langenbroich/Eifel.

    Heinrich Böll:
    Der Zug war pünktlich
    Erzählung

    Deutscher
    Taschenbuch
    Verlag

    Als ebook nicht für den
    Verkauf bestimmt.
    Private Sicherheitskopie.

    non-profit ebook by tigger
    November 2003

    Lizenzausgabe 1. Auflage Mai 1972
    Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
    © 1949 Heinrich Böll, alle Rechte von und bei Inti GmbH/
    René Böll, 0-5303 Bornheim 3
    Umschlaggestaltung: Celestino Piatti
    Gesamtherstellung: C. H. Beck’sche Buchdruckerei, Nördlingen Printed in Germany • ISBN 3-423-00818-0
    19 20 21 22 23 24 • 94 93 92 91 90 89

    Als sie unten durch die dunkle Unterführung schritten, hörten sie den Zug oben auf den Bahnsteig rollen, und die sonore Stimme im Lautsprecher sagte ganz sanft: »Front-urlauberzug von Paris nach Przemysl über …«
    Dann hatten sie die Treppe zum Bahnsteig erstiegen und blieben vor irgendeinem Abteil stehen, dem Urlauber mit freudigen Gesichtern entstiegen, vollbepackt mit riesigen Paketen. Der Bahnsteig leerte sich schnell, es war wie immer. Irgendwo an Fenstern standen Mädchen oder Frauen oder ein sehr schweigsamer, verbissener Vater …
    und die sonore Stimme sagte, daß man sich beeilen solle.
    Der Zug war pünktlich.
    »Warum steigst du nicht ein?« fragte der Kaplan ängstlich den Soldaten.
    »Wie?« fragte der Soldat erstaunt, »ich kann mich ja unter die Räder schmeißen wollen … ich kann ja fahnen-flüchtig werden … wie? Was willst du? … Ich kann ja, kann ja verrückt werden … wie es mein gutes Recht ist: es ist mein gutes Recht, verrückt zu werden. Ich will nicht sterben, das ist das Furchtbare, daß ich nicht sterben will.«
    Er sprach ganz kalt, als flossen seine Worte wie Eis von den Lippen. »Sei still! Ich steig schon ein, irgendwo ist immer Platz … ja … ja, sei nicht böse, bete für mich!« Er nahm das Gepäck, stieg irgendwo in eine offene Tür, drehte von innen das Fenster herunter und beugte sich noch einmal hinaus, während über ihm die sonore Stimme wie eine Wolke von Schleim schwebte: »Der Zug fährt ab …«
    »Ich will nicht sterben«, schrie er, »ich will nicht ster-5

    ben, aber das Schreckliche ist, daß ich sterben werde …
    bald!« Immer mehr entfernte sich die schwarze Gestalt auf diesem kalten grauen Bahnsteig … immer mehr, bis der Bahnhof in Nacht verschwunden war.
    Manches Wort, das scheinbar gleichgültig ausgesprochen wird, gewinnt plötzlich etwas Kabbalistisches. Es wird schwer und seltsam schnell, eilt dem Sprechenden voraus, bestimmt, irgendwo im Ungewissen Bezirk der Zukunft ei-ne Kammer aufzureißen, kommt auf ihn zurück mit der er-schreckenden Zielsicherheit eines Bumerangs. Aus dem leichtfertigen Geplätscher unbedachter Rede, meist jenen furchtbar schweren und matten Worten beim Abschied an Zügen,

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