0107 - Die Hand des Hexers
nichts abschlagen kann, wenn du mich küßt.«
»Ich krieg’ das Bild?«
»Aber ja.«
»Abel, du bist ein Schatz.«
Sie zogen weiter über den Rummelplatz. Nichts ließen sie aus. Weder das Spiegelkabinett noch die Achterbahn. Es wurde einer der schönsten Abende in Flo Dannings Leben. Es war gleichzeitig aber auch der letzte Abend in Flo Dannings Leben, nur… davon hatte weder sie noch Abel Cimarron eine Ahnung.
***
Château de Montagne
Der dunkle Mantel der Nacht lag über dem wildromantischen Loiretal, in dessen Mitte sich die Zinnen des alten Schlosses dem tintigen Himmel entgegenstreckten. Dies hier war Professor Zamorras eigentliches Domizil, sein fester Wohnsitz, den er jedoch so oft zu verlassen gezwungen war, daß man versucht war zu glauben, der Parapsychologe wäre auf der ganzen Welt zu Hause.
Zamorra genoß die kurzen Pausen zwischen den großen, gefährlichen Fällen, in denen er immer wieder Kopf und Kragen riskierte, um die Mächte der Finsternis in die Schranken zu weisen. Er lebte in diesen Pausen so intensiv wie möglich, versuchte, das Versäumte nachzuholen, und war glücklich auf seinem wunderschönen Schloß, das - sehr zu seinem Leidwesen - viel zu häufig leer stand.
Der Professor saß am Lesetisch in seiner mit wertvollen Büchern ausgestatteten Bibliothek und blätterte in einem Werk, das sich mit Nekromantie, mit der Beschwörung der Toten, befaßte. Er wußte, daß das Vorbild hierfür im Alten Testament die Hervorrufung des Geistes Samuels auf Befehl des Saul durch die Hexe von Endor war, und er versuchte, sein diesbezügliches Wissen mit Hilfe des dicken Wälzers aufzufrischen und zu vervollkommnen.
Die Tür hinter ihm wurde so leise aufgemacht, daß er es kaum hören konnte. Ein Lufthauch strich über seinen Nacken.
Der große, schlanke Professor hob den Kopf und schaute sich um.
Nicole Duval, seine Mitarbeiterin, stand in der Tür.
Eine Augenweide.
Makellose Figur, hellbraune, dunkelgesprenkelte Augen, ein süßer Mund und eine keine Nase. Dazu eine blühende Haut, golden, als wäre sie in Honig getaucht worden. Üppige, feste, runde Brüste, eine schmale Taille und wohlgeformte Hüften. Sie schüttelte ihre lange, blonde Mähne mit einer grazilen Bewegung und löste sich dann von der Tür. Ihr Gang war sinnlich und aufregend.
Sie erreichte den Professor und legte ihm ihren Arm um die Schultern.
»Nun, hast du’s dir schon überlegt?«
»Was?« fragte Zamorra.
»Meinen Vorschlag von heute nachmittag.«
»Nach Paris zu fahren?«
»Mhm.«
»Ich würde viel lieber auf dem Schloß bleiben. Wir sind hier ohnedies viel zu selten. Ein Kongreß in Amerika. Eine Vorlesung in der dritten Welt. Eine Voodoo-Tagung in Venezuela… Und immer steht dieser Prachtbau, in dem ich mich so wohl wie nirgends sonst auf der Welt fühle, tage-, wochen-, ja, sogar monatelang leer.«
»Darf ich dich daran erinnern, daß dein Versprechen, mit mir nach Paris zu fahren, nun schon beinahe ein Jahr alt ist? Gedenkst du, in Zukunft alle deine Versprechen so prompt einzulösen?«
Zamorra schmunzelte. Er lehnte sich zurück und betrachtete Nicole amüsiert. »Manchmal habe ich den Eindruck, dir gefällt es auf Château de Montagne nicht.«
»Doch, es gefällt mir hier, Aber es würde mir auf dem Schloß besser gefallen, wenn ich zwanzig Jahre älter wäre.« Nicole glitt auf Zamorras Schoß. Sie wußte, wie sie den Professor weichkriegen konnte, und setzte alle weiblichen Tricks ein, um dieses Ziel zu erreichen. »Ein Einkaufsbummel in Paris ist genau das, was ich mir zur Zeit am meisten wünsche. Ich brauche eine neue Frühjahrsgarderobe.«
Zamorra lachte. »Deine Schränke sind von oben bis unten voll mit Kleidern.«
»Dann sind eben die Schränke zu klein. Ich habe jedenfalls nichts anzuziehen«, behauptete Nicole.
Welcher Mann hat diese Worte noch nicht gehört?
Nicole kraulte Zamorras Nacken. »Mach mir die kleine Freude. Fahr mit mir nach Paris.«
Zamorra grinste schelmisch. » Wenn ich mich dazu entschließen sollte, nach Paris zu fahren, dann müßte ich mich allein dorthin begeben. Kein Mann, der noch ein Mann ist, fährt in weiblicher Begleitung in diese Stadt. Das hieße Eulen nach Athen tragen. Oder Bier nach München…«
Nicole Duval knuffte den Professor und zischte: »Du Schuft! Ihr Männer seid doch wirklich alle gleich!«
Zamorra lachte amüsiert. »Also gut, um dir zu beweisen, daß ich nicht so bin wie die anderen, werde ich mit dir nach Paris
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