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011 - Sanatorium der Toten

011 - Sanatorium der Toten

Titel: 011 - Sanatorium der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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Zimmers. Sie schob
den Krankenpfleger nach vorn. »Sehen Sie nach«, wisperte sie, und in ihren
Augen zeigte sich wieder der Wahnsinn.
    Sie kicherte.
»Vielleicht haben Sie noch keinen Sarg gesehen.«
    Victor
näherte sich der Tür. An der Schwelle blieb er stehen. Er schüttelte den Kopf. »Ich
verstehe Sie nicht, Mademoiselle, ich…«
    Angela
schluckte. »Nun, was ist?« Ihre Augen bewegten sich. Ihre Blicke gingen über
das Geländer, hinab zu dem anderen Krankenpfleger, der in einem der
hochlehnigen Clubsessel saß, die Hände vor dem Bauch gefaltet hatte und wortlos
vor sich hinstarrte.
    »Nichts,
Mademoiselle«, erklang Victors Stimme wieder auf. »Es ist alles in Ordnung.«
    »Alles in
Ordnung?« stammelte sie. »Kein Sarg? Die schwarzen Tapeten, die Kerze, die
schwarze Decke.«
    Victor
schüttelte den Kopf. »Nichts von alledem.«
    Wie von
unsichtbarer Hand geschoben näherte sich Angela der Tür ihres Schlafzimmers.
    Das Fenster
zur Terrasse stand offen. Das Sonnenlicht fiel in den Raum, auf ihr Bett, auf
die hellblauen Tapeten. Eine tiefrote Lampe hing an einem langen Kabel direkt
über der Bettstatt, die seidene Zudecke lag auf dem Läufer davor…
    Angela mußte
sich am linken Türpfosten abstützen.
    Sie begriff
nichts mehr, nichts… Anstatt über das Bild, das sich jetzt ihren Augen bot,
Erleichterung zu empfinden, stiegen abermals das Entsetzen und die Furcht in
ihr auf. Aber es war eine andere Furcht. Sie hatte plötzlich Angst vor sich
selbst.
    Sie wankte
und wurde totenbleich. Der Pfleger sprang hinzu, stützte sie. Mit kaum hörbarer
Stimme verlangte sie, ihr Arbeitszimmer zu sehen. Während sie die Treppe
hinabstieg, fragte sie, wie sich Wahnsinn bemerkbar mache.
    »Sie müssen
es doch wissen, Victor«, sprach sie mit erstickter Stimme. »Sie haben
tagtäglich mit Irren zu tun.« Sie mußte das Wort Irren förmlich herauswürgen. »Wie
beginnt es? Halluzinationen? Verfolgungswahn?«
    »Ich bin nur
Krankenpfleger, Mademoiselle Gourmon. Professor Mineau aber…«
    »Mineau«,
hauchte sie. »Wer kennt den Namen nicht. Es gibt bestimmte Menschentypen, die
anfällig für Wahnsinn sind, nicht wahr?«
    Sie erhielt
keine Antwort. Sie hatten das Arbeitszimmer erreicht. Wie eine Ertrinkende
stürzte sich Angela auf das Telefon und riß den Hörer von der Gabel. Das
Freizeichen ertönte! Kraftlos entfiel der Hörer ihrer Hand… Angela taumelte.
    »Heute morgen«,
hauchte sie, »war es anders. Da…« Weiter kam sie nicht. Sie schrie gellend auf
und preßte die Hände vor das zuckende Gesicht. Dies alles war zuviel für sie.
    Heute morgen?
Wann war das gewesen? Vor wenigen Augenblicken, vor einer Ewigkeit?
    Sie hatte
jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren.
    Sie hörte die
Stimme ihres Begleiters. »Sie sind krank, Mademoiselle. Sie sollten einen Arzt
aufsuchen, wenn…«
    Angela atmete
heftig. »Einen Arzt?« Ein Weinkrampf schüttelte ihren Körper. »Professor
Mineau, ich glaube, ich sollte zu ihm.«
    Sie glaubte,
daß sie Anweisungen gab, daß sie nach ihren Kleidern verlangte, aber sie wußte
es nicht genau. All das, was jetzt geschah, wurde nicht mehr von ihren Sinnen
registriert.
    Sie blickte
einmal an sich herunter und erkannte, daß sie mittlerweile ein luftiges
Sommerkleid trug. Hatte sie es selbst angezogen, hatte Victor ihr dabei
geholfen?
    Sie sah
plötzlich zwei Männer. Victors Begleiter war ebenfalls in ihrer Nähe. Die
beiden Männer hakten sich bei ihr unter und brachten Angela hinaus.
    »Wir sind auf
dem Weg nach Niort. Wir sollten einen Patienten abholen, Mademoiselle«, hörte
die junge Französin die Stimme des einen wie aus weiter Ferne. »Nun verlangen
Sie von uns, daß wir Sie in das Sanatorium bringen. Es ist eigentlich außerhalb
unserer Kompetenz, dies…«
    »Still!«
zischte da die Stimme des anderen Mannes, und Angela war überzeugt davon, daß
es Victor war. Sie konnte die beiden Stimmen kaum mehr voneinander
unterscheiden. »Du siehst, in welchem Zustand sie sich befindet. Er ist sehr
bedenklich.«
    »Mein Zustand
ist bedenklich?« Ja, das begriff sie noch, sie fühlte selbst das Fremde, das
Unfaßbare, das Besitz von ihr ergriffen hatte, das sie manchmal erkannte und
nicht wahrhaben wollte.
    Sie sah den
Krankenwagen vor sich.
    »Wir dürfen
Sie nicht vorne hineinsetzen, nicht als Patientin. Das ist gegen die Vorschrift«,
klang Victors Stimme neben ihr auf. Sie nahm alles nur noch wie durch einen
dichten, wallenden Nebel wahr. »Wir bringen Sie in das

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