0115 - Der Imperator und das Ungeheuer
würde. Die Art und Weise, wie er sein Leben gestaltet hätte, hielt er nach wie vor für richtig.
„Wann werden sie angreifen?" drang eine Stimme in sein Bewußtsein.
Er wandte sich um und blickte in die klugen Augen von Tasnor, seinem Stellvertreter. Vom ersten Tage an hatte Kutlos sich eine feste Meinung über Tasnor gebildet. Tasnor war intelligent, wesentlich intelligenter als der Hohepriester selbst. Aber er würde niemals zu den obersten Würdenträgern des Baalol aufsteigen können. Tasnor machte zwei entscheidende Fehler: Er redete zuviel, und er redete mit jedem. Außerdem glaubte er, unbedingt verschiedene seiner Ideen durchsetzen zu müssen. Eine solche Handlungsweise würde ihm die Karriere verderben. Kutlos musterte den anderen schweigend, und in dieser Stille erstarb die Aktivität Tasnors, sie erfror förmlich in dem kühlen Glanz von Kutlos Augen. Es war dem Hohepriester gleichgültig, welche Gefühle Tasnor ihm entgegenbrachte. Wahrscheinlich haßte ihn der jüngere Mann. Das änderte nichts an dem Respekt, den er ihm entgegenbrachte. In seinem Umgang mit Mächtigen hatte Kutlos gelernt, wie man sich Achtung erwarb und erhielt.
„Diese Warterei zerrt an den Nerven", sagte Tasnor entschuldigend.
Kutlos lächelte, und dieses Lächeln degradierte Tasnor zu einem nervenschwachen, unerfahrenen, jungen Mann, mit dem sich der Hohepriester außer seinen wichtigen Aufgaben noch zusätzlich zu beschäftigen hatte. Der Stellvertreter errötete. Seine Augenlider senkten sich, und seine Hände glitten über den weiten Umhang.
„Ich weiß", erwiderte Kutlos freundlich. „Wir sollten den Terranern dankbar sein für die Frist, die sie uns gewähren. Sie läßt uns Zeit, den zweiten Teil unseres Planes auszuführen."
Hepna-Kaloot, ein für einen Anti sehr kleiner und dicker Mann, drehte sich auf seinem Platz herum.
„Das klingt ganz so, als gäbe es noch einen Ausweg für uns", schloß er. „Es lag noch nie in meiner Absicht, den Heldentod zu sterben. Kutlos, welcher Einfall läßt dich hoffen?"
Hepna-Kaloot war der einzige Priester auf Saos, für den Kutlos Sympathie empfand. Auf den kleinen Mann ließ sich sein übliches Gebaren nicht anwenden. Hepna-Kaloot übermittelte seiner Umwelt stets seine Gleichgültigkeit, die er gegenüber allen Dingen empfand. Selbst wenn er, wie jetzt, Fragen stellte, spürte man deutlich, daß ihn innerlich nichts berühren konnte. Es gab nur eine einzige Sache, für die sich der untersetzte Priester begeistern konnte: das Paloot-Spiel. Und dieses Spiel war verboten. Hepna- Kaloot war jedoch mit den Regeln so gut vertraut, daß man vermuten konnte, daß er das Verbot mehrmals mißachtet hatte. An stillen Abenden hatte er sich ab und zu hinreißen lassen und von Paloot- Spielen erzählt. Stets hatte er sich dabei als Zuschauer geschildert, aber es war jedem Zuhörer klar, daß seine Rolle eine andere gewesen sein mußte - die eines Mitspielers.
Hepna-Kaloots Charakter ließ sich deshalb am treffendsten beurteilen, wenn man von der Voraussetzung ausging, daß er eine Spielernatur war. Nun war zum erstenmal sein Einsatz bekanntgeworden.
Der gleiche Einsatz, den alle anderen Priester in dieses Spiel eingebracht hatten: das Leben.
Es war selbstverständlich, daß auch Hepna-Kaloot seinen Einsatz gern zurückziehen würde, wenn sich eine Gelegenheit dafür bot. Vielleicht waren deshalb seine Worte eine Spur weniger gleichgültig als sonst.
„Ich wüßte nicht, warum wir unseren ursprünglichen Plan nicht ausführen sollten", sagte Kutlos. „Wir werden uns nach den Anweisungen des Hohen Baalol richten."
Noch bevor er seine Worte zu Ende gesprochen hatte, sah er den Widerstand in Tasnors Augen aufblitzen.
„Als die Befehle von der Zentrale eintrafen, wußten wir noch nicht, daß uns keine Möglichkeit bleiben würde, uns von Saos abzusetzen", erinnerte der junge Priester. „Die Planung des Hohen Baalol ging von ganz anderen Voraussetzungen aus."
Kutlos mußte nicht erst in die Gesichter der übrigen Antis blicken, um zu wissen, daß die Mehrheit Tasnors Meinung teilte. Auch sein Stellvertreter schien das zu spüren. Kutlos fühlte sich dadurch nicht beunruhigt. Dieser Schwätzer würde ihn nicht daran hindern, einen letzten Triumph zu erleben.
„Das einzige, was sich geändert hat, ist, daß wir uns noch hier aufhalten", sagte der Hohepriester leise.
Tasnor beging den Fehler, Kutlos Äußerung als beginnende Schwäche auszulegen. Er hob beschwörend seine Arme und
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