0125 - Der Leichenbrunnen
Fast wäre ich über meine Beretta gestolpert. Sie lag am Waldrand still und friedlich. Die drei Knochenmänner hatten vergessen, sie mitzunehmen.
Ich hob sie auf.
Plötzlich konnte ich wieder lächeln. Jetzt fühlte ich mich sicherer.
Vielleicht kam ich auch noch an meinen im Bentley verstauten Koffer heran und konnte mich mit weiteren Waffen eindecken.
Ich steckte die Beretta in den Hosenbund. Wer mich so sah, mußte mich für einen Penner halten, in der verdreckten und abgerissenen Kleidung. Auch mein Gesicht sah bestimmt nicht besser aus. Ich hatte schließlich ein paarmal im Schlamm gelegen.
Äußerlichkeiten spielten jedoch keine Rolle. Für mich ging es um viel mehr.
Ich mußte Menschenleben retten!
Der rötliche Schein fiel mir schon von weitem auf. Er füllte die Lücken, zwischen den Bäumen aus. Der Farbe nach konnte es sich dabei nur um Feuer handeln.
Ich wurde vorsichtiger, obwohl die Zeit drängte.
Schließlich stand ich vor der Flammenwand und schaute mit großen Augen gegen dieses feurige Hindernis. Ich konnte plötzlich nicht mehr denken. Zu groß war die Enttäuschung, es doch nicht mehr schaffen zu können.
Sekundenlang schloß ich die Augen. Ich hörte mein Herz schlagen, spürte auch noch die Nachwirkungen des Kampfs – und zuckte zusammen, als hätte mir jemand einen Schlag auf die Schulter gegeben.
Warum war mir das denn nicht gleich aufgefallen!
Das Feuer strahlte keine Wärme ab.
Jawohl, Freunde, es war kalt.
Vor mir loderte ein Höllenfeuer.
Und womit löschte man das? Mit Wasser bestimmt nicht, es gab andere Methoden dafür.
Ein Kreuz, zum Beispiel!
Vielleicht konnte mein Kreuz in das Höllenfeuer eine Bresche schlagen. Wenn nicht, war alles verloren.
Leider konnte ich das Haus nicht erkennen. Die Flammen standen zu hoch, sie verbargen selbst das Dach vor meinen Blicken.
Ich holte das Kreuz hervor. So manches Mal hatte es mir geholfen, mich gegen das Böse zu behaupten. Auch diesmal wollte ich mit ihm die Macht der Hölle brechen.
Ich nahm es in die rechte Hand, atmete noch einmal tief durch und schritt auf die blaurote, kalt schimmernde Flammenwand zu…
***
»Baxman kommt!«
Das Skelett wiederholte diesen Ruf, und er wirkte auf die Menschen wie ein Tiefschlag.
Sie schauten sich an.
Entsetzen flackerte in ihren Blicken. Bis jetzt hatten sie noch gehofft, doch nun kam der Henker.
Gavin Nesbitt stemmte sich vom Boden hoch. Schwankend blieb er stehen, schaute mit irrem Blick zum Fenster und wankte dann auf seinen Platz zu.
Es wurde wieder still.
Dann hörten sie die Schritte.
Draußen im Flur.
Tapp, tapp, tapp…
Es waren schwere, aber zielsichere Schritte. Der Ankömmling wußte genau, wo er hinwollte.
Jetzt war er kurz vor der Tür.
Alle Gesichter wandten sich dem Eingang zu. Schweiß schimmerte auf der Haut der Menschen.
Da flog die Tür auf!
Baxman war da!
Die Menschen erstarrten zur Regungslosigkeit. Mit einem Tritt hatte der lebende Tote die Tür aufgestoßen, jetzt blieb er dicht hinter der Schwelle stehen.
Cora konnte einen leisen Aufschrei nicht unterdrücken, als sie den Unheimlichen sah. Dafür war die Gestalt zu schaurig.
Überdurchschnittlich groß, ein wüstes, von Pusteln verunstaltetes Gesicht, leere und trotzdem grausam wirkende Pupillen. Lumpen hingen um seinen Körper, strähniges Haar bedeckte den Schädel an beiden Seiten, und Baxman hielt eine Axt in der Hand.
Die gefährliche Mordwaffe.
Seine schwieligen Fäuste umklammerten den Griff. Das Gesicht zuckte, und ein böses Grisen umspielte die lappigen Lippen, als er langsam vorschritt.
»Endlich, endlich bist du da«, sagte das am Fenster stehende Skelett und wandte sich um, um Baxman entgegenzugehen.
Der jedoch knurrte nur. Er schüttelte den Kopf, als wollte er eine Fliege verscheuchen.
Dann ging er weiter.
Für seine Helfer hatte er keinen Blick, er starrte nur die Menschen an.
Seine Opfer…
Zwei, drei Schritte brachten ihn bis in die Nähe der Menschen.
Vor dem Tisch blieb er stehen, senkte den Kopf und starrte die Frau und die drei Männer an.
Die Wirtsleute sah er gar nicht. Sie interessierten ihn nicht.
Sekundenlang geschah nichts. Dann löste Baxman eine Hand vom Griff der Axt, streckte den Finger aus und deutete einen Halbkreis an. Er machte es spannend, die Nerven der Dasitzenden vibrierten, auf den Gesichtern hatte sich ein dicker Schweißfilm gebildet, Angst fraß sich in ihre Seelen.
Plötzlich kam der Zeigefinger zur Ruhe. Er deutete genau auf Gavin
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