0138 - Uns stand das Wasser bis zum Hals
Vielleicht warteten vier oder fünf schussbereite Maschinenpistolen in der Dunkelheit auf uns. Vielleicht auch nur ein leerer Raum. Wir wussten es nicht.
Den Jaguar hatten wir im Hof des FBI-Districtgebäude stehen lassen. Den ganzen Weg von der 69th bis zur 76th Street East hatten wir zu Fuß zurückgelegt.
Die Nacht war regnerisch und kalt. Vom East River her drangen Nebelschwaden in die Straßen ein wie die Arme von Geistern. Unterwegs rauchten wir eine Zigarette. Vielleicht war es die letzte; in unserem Beruf weiß man das nie.
Dann waren wir in eine Toreinfahrt hineingegangen, hatten einen dunklen Hof überquert und im Schutz der Dunkelheit eine Mauer überstiegen. Leise überquerten wir auch den dahinterliegenden Hof, bis wir die Mauer des nächsten Hauses erreichten, die Rückfront eines Gebäudes der 77th Street.
Die Wand ragte schwarz in die Nacht, sie verlor sich hoch über unseren Köpfen in der pechschwarzen Finsternis. Wir strichen an der Wand entlang wie streunende Katzen.
»Stopp!«, raunte Phil, wobei er mich mit der Hand am Ärmel zupfte.
Ich kramte in meiner Manteltasche und suchte den Nachschlüssel, den das FBI heimlich hatte anfertigen lassen. Von den vielen Hundert Leuten, die hier tagsüber in den Büros der unteren Etagen arbeiteten, von all den Rechtsanwälten, Maklern, Ärzten und Exportgesellschaften, die in diesem Gebäude ihre Büroräume hatten, gab es nur einen einzigen Menschen, der um unser Geheimnis wusste, nämlich den Zahnarzt Ralph G. Morris, der uns den Raum zur Verfügung gestellt hatte.
Aber vielleicht wussten seit ein paar Stunden auch schon ein paar Gangster davon. Vielleicht standen sie jetzt oben in dem bewussten Raum, warteten auf uns und fuhren mit ihren Fingern immer wieder über die Läufe ihrer Maschinenpistolen. Vielleicht hatten sie Frederick Cennedy unser Geheimnis entreißen können. Es gibt Foltermethoden, denen auch ein G-man nicht zu widerstehen vermag, und gewisse Gangster verstehen sich auf solche Methoden…
Ich gab Phil den Schlüssel. Wir standen an einer Metalltür, die außen weder eine Klinke noch ein Schloss besaß. Es war der Feuer-Notausgang für die untere Etage. Diese Tür war von innen durch einen leichten Druck auf die Klinke des Schnappschlosses zu öffnen, von außen dagegen nur mit einem ziemlich komplizierten Schlüssel.
Ich hörte ein leises Klirren, als Phil in der Finsternis mit dem Schlüssel hantierte. Dann verschwand Phils Gestalt vor mir. Es sah aus, als hätte er sich in die Wand hineingedrückt.
Er hatte also die Tür öffnen können. Ich trat einen Schritt vor und schob mich dann nach links in die dunkle Öffnung hinein, die sich jetzt in der Wand aufgetan hatte.
Ich tastete mit den Fingerspitzen nach der Tür, stieß gegen ihr kaltes Metall und schob sie hinter mir zu. Mit einem leisen Schnappen rastete das Schloss wieder ein.
Wir blieben einen Augenblick stehen. Über der Tür brannte eine rote Notlampe, aber sie warf einen so kümmerlichen Lichtschein in die Umgebung, dass man verdammt wenig sehen konnte.
Ein paar Stufen waren zu erkennen, die aufwärts führten. Phil machte eine Kopfbewegung, die ich nur undeutlich wahrnahm.
Ich stieg langsam und leise die Stufen hinauf. Phil war einen halben Schritt hinter mir. Schon nach wenigen Schritten hatten wir den Leuchtkreis der Notlampe über der Tür verlassen und bewegten uns wieder durch die undurchdringliche Finsternis eines Treppenhauses, das völlig unbeleuchtet war.
»Man sollte dem Hausmeister die Feuerpolizei auf den Hals hetzen«, raunte Phil. »Es gibt eine strenge Vorschrift, dass in allen Treppenhäusern während der Dunkelheit Notlampen zu brennen haben, die ausreichende Sicht gewähren.«
»Vielleicht ist die Notbeleuchtung durch irgendeinen technischen Fehler ausgefallen.«
Ich blieb stehen und hielt ihn am Ärmel fest.
»Vielleicht ist die Beleuchtung zufällig ausgefallen«, murmelte ich. »Aber es lässt sich auch ein anderer Grund denken.«
»Nämlich?«
»Wenn sie Cennedy ausgequetscht haben, hat er ihnen vielleicht auch gesagt, dass wir von hinten kommen werden…«
Einen Augenblick herrschte Totenstille. Wenn ich recht hatte, durfte sich das FBI in zwei Tagen den Kopf über unsere Beerdigung auf Staatskosten zerbrechen. Dann wussten die Gangster, dass wir den Notausgang nehmen würden. In diesem Fall konnten sie hinter jedem Treppenabsatz stehen.
»Sie brauchen nur ruhig zu stehen, auf unsere Schritte zu lauschen und die Tommy Guns
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