0139 - 200 Minuten um Leben und Tod
weit ist, werden Sie es mir nicht übel nehmen können, wenn ich um die erste Gehaltsoder Honorarerhöhung bitte.«
Der Chefredakteur sah sich das Mädchen kopfschüttelnd an. So viel Selbstbewusstsein bei einem zweiundzwanzigjährigen Mädchen hatte er noch nicht erlebt. Aber schließlich zuckte er die Achseln und sagte: »Na ja. Wir werden ja sehen. Ihre Arbeitszeit ändert sich nicht. Auch sonst bleibt alles beim Alten.«
Daisy stand auf.
»Okay. Da wir nun also länger Zusammenarbeiten werden, gestatte ich Ihnen, mich Daisy zu nennen. Übrigens habe ich bereits die ersten Notizen für eine Reportage, die wie eine Bombe einschlagen wird.«
»Was ist es denn?«
»Ich werde alle Machenschaften einer neuen Bande bloßstellen, die den Bezirk um die 125 th Street herum terrorisiert. Mehr sage ich im Augenblick noch nicht. In ein paar Tagen hoffe ich, das ganze Material zusammenzuhaben. Dann werden Sie ja die Reportage lesen. Ich kann Ihnen eins versprechen: Es wird der Sensationsartikel dieses Jahres! So long, Boss!«
Daisy marschierte selbstbewusst zur Tür hinaus. Der Chefredakteur sah ihr nach.
Lieber Himmel, dachte er, die ist verrückt. Die ist imstande, es so weit zu treiben, dass sie eines Tages umgelegt wird. Oder eine Flasche Salzsäure ins Gesicht bekommt. Oder ein Messer zwischen die Rippen. Oder sonst etwas. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten, und angenehm ist keine einzige…
***
Johnny’s Inn war ein Bierlokal, das sich äußerlich nicht von einer Arbeiterkneipe unterschied. Höchstens durfte man sicher sein, dass es hier Notausgänge gab, die nur dem Eingeweihten bekannt waren.
Wir setzten uns in eine Nische und ließen den Vorhang offen, um den Betrieb ein wenig beobachten zu können.
Es mochten etwa zwanzig Männer verschiedenen Alters im Lokal sein, und einige von ihnen hatten sich trotz der frühen Morgenstunde schon reichlich mit billigem Brandy volllaufen lassen.
Eine Serviererin im vorgerückten Mittelalter erschien und fragte nicht sehr höflich nach unseren Wünschen.
»Zwei Tassen Kaffee«, sagte Phil.
Sie warf uns einen kurzen Blick zu. Dann zuckte sie die Achseln und verschwand hinter der Theke, um unsere Bestellung aufzugeben. Phil hielt mir seine Zigarettenpackung hin. Gerade als ich zugreifen wollte, kam mir jemand zuvor.
Eine haarige, sehnige Pranke griff nach den Zigaretten und zog drei oder vier Stück auf einmal heraus.
Wir blickten auf. Im Eingang unserer Nische stand ein wahrer Gorilla, an die zwei Meter hoch und mit der nötigen Breite, um bequem eine Tür zu füllen.
»Nett von dir, Kleiner«, sagte er zu Phil. »Ich hab’s gern, wenn jemand großzügig ist.«
Phil senkte seine Lider und holte kurz Luft. Unter normalen Umständen hätte ich jetzt für die Gesundheit des Gorillas gefürchtet, aber wir waren nicht hier, um Radau zu machen, sondern weil wir etwas erfahren wollten. Und das ging besser, wenn wir nicht gleich in eine Schlägerei gerieten.
Phil wusste das so gut wie ich. Deshalb huschte sofort ein freundliches Lächeln über sein Gesicht.
»Nimm sie alle«, sagte er und drückte dem Gorilla die ganze Packung in die Hand. »Ich hab’s gern, wenn einer meine Großzügigkeit erkennt.«
Der Gorilla hatte Streit gesucht, das war offensichtlich. Stattdessen, was er erwartet hatte, nämlich dass er wegen der genommenen Zigaretten zur Rede gestellt würde, trat nun das genaue Gegenteil ein, und er bekam noch ein paar dazu.
Das verwirrte ihn. Geistesgegenwart war ohnehin nicht seine starke Seite, und so stierte er verdutzt abwechselnd auf die Zigaretten und auf Phil.
Ein paar andere Männer, die die Szene beobachtet hatten, lachten laut. Dem Gorilla wurden ein paar Spottrufe zugeworfen, aus denen ersichtlich war, dass er hier unter dem Namen Big Boy bekannt war. Nun ja, es passte zu ihm.
»Setz dich doch, Bruder«, sagte Phil. »Trinkst du eine Tasse Kaffee mit?«
Der Gorilla runzelte die Stirn, wusste nicht, was er machen sollte, und ließ sich schließlich nach einem kurzen Zögern auf die Eckbank fallen, die die ganze Nische ausfüllte.
Als sein Gewicht auf die Bank krachte, ging ich schon vorsichtig hoch, weil ich das Schlimmste fürchtete, aber wider Erwarten hielt die Bank.
Phil bestellte eine weitere Tasse Kaffee.
»Würdest du uns mal eine von den Zigaretten anbieten?«, fragte Phil.
Der Gorilla kam plötzlich in Bewegung.
»Aber sicher!«, sagte er hastig und mit einer Stimme, die in einem krassen Gegensatz zu seinem Körper stand. So
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