014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen
er plötzlich fluchtartig die Wohnung. Ich kam wieder aus meinem Versteck hervor, trat zu der Gestalt und erkannte nun plötzlich, daß ich den mir so teuren Mr. Lyne getötet hatte.
Ich wurde halb wahnsinnig vor Schmerz und Trauer und wußte nicht mehr, was ich tat. Ich dachte nur noch daran, daß es irgendeine Möglichkeit geben müßte, Thornton Lyne zu retten. Er konnte und durfte nicht tot sein! Ich wollte ihn sofort in ein Krankenhaus bringen.
Wir hatten schon früher einmal den Plan besprochen, daß wir zusammen in die Wohnung des Mädchens gehen wollten, und dabei hatte er mir gesagt, daß er für diesen Fall seinen Wagen in die Hinterstraße stellen würde. Ich eilte durch den hinteren Ausgang hinaus und sah das Auto draußen.
Ich ging in das Schlafzimmer zurück, hob Thornton Lyne auf, trug ihn in seinen Wagen und setzte ihn auf die Polster.
Ich fuhr zum Krankenhaus St. Georg und hielt an der Parkseite, da ich nicht wollte, daß mich die Leute sehen sollten. An einer dunklen, verlassenen Stelle brachte ich den Wagen zum Stehen und sah mich nun nach Thornton Lyne um. Als ich ihn aber betastete, fühlte ich, daß er bereits tot war.
Dann saß ich ungefähr zwei Stunden lang neben ihm im Wagen und weinte, wie ich noch nie in meinem Leben geweint habe. Endlich nahm ich mich zusammen und trug ihn auf einen Seitenweg hinaus. Ich hatte noch so viel Überlegung zu wissen, daß es mir schlecht gehen würde, wenn man mich in seiner Nähe fand.
Aber ich konnte ihn noch nicht verlassen, und nachdem ich seine Hände auf der Brust gefaltet hatte, saß ich noch ein oder zwei Stunden neben ihm. Er lag so kalt und allein dort auf dem Rasen, und mein Herz blutete. Als der Morgen heraufdämmerte, sah ich, daß auf dem Beet in einiger Entfernung gelbe Narzissen standen. Ich pflückte ein paar ab und legte sie auf seine Brust, weil ich ihn so sehr liebte.«
Tarling blickte auf und sah Whiteside an.
»Das ist das Ende des Geheimnisses der gelben Narzissen«, sagte er langsam. »Allerdings eine sehr einfache Erklärung. Und zufällig wird unser Freund Milburgh dadurch entlastet.«
Eine Woche später gingen zwei Menschen langsam über die Dünen am Strand des Meeres. Sie waren eine lange Strecke schweigend nebeneinander hergewandert.
»Ich habe heute morgen in der Zeitung gelesen, daß du das große Warenhaus Lyne verkauft hast«, sagte Odette plötzlich.
»Ja, das stimmt«, entgegnete Tarling. »Aus vielen Gründen möchte ich das Geschäft nicht weiterführen. Ich will auch nicht länger in London bleiben.«
Sie sah ihn nicht an.
»Wirst du wieder nach Übersee gehen?« fragte sie.
»Ja, wir gehen zusammen.«
»Wir?« Sie schaute ihn erstaunt an.
»Ja, ich spreche von mir und einem Mädchen, dem ich in Hertford meine Liebe erklärte.«
»Ich dachte, du wärst nur traurig und besorgt um mich gewesen und hättest mir deshalb eine Liebeserklärung gemacht. Ich glaubte, du wärst nur lieb zu mir, weil du mich in einem so hoffnungslosen Zustand sahst.« »Ich habe dir alles nur gesagt, weil ich dich über alles liebe.«
»Wo wirst du - wo werden wir denn hingehen?«
»Nach Südamerika - wenigstens für ein paar Monate. Dann während der kalten Jahreszeit nach meinem geliebten China.«
»Warum wollen wir denn nach Südamerika?«
»Ich habe einen Artikel über Gartenkultur gelesen -darin stand, daß in Argentinien keine gelben Narzissen wachsen.«
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