0149 - Die Nacht der flammenden Augen
Wie bei Garry Gibson. Ihm versprachen die Trommeln den Tod.
Denn er hatte zuviel gesehen.
Und, daß er sie hören konnte, wo er sich auch befand, das war Berechnung. Garry sollte immer an sein Schicksal erinnert werden.
Daran, daß man ihnen nicht entkam.
Er blieb stehen. Schweratmend lehnte er sich gegen eine Hauswand, während ihn eine gespenstische Stille umgab und er nur von Ferne dieses Tam-Tam der Todestrommeln hörte.
»Verdammt noch mal, warum habe ich mich auch darauf eingelassen«, fluchte er wütend. »Ich hätte es nicht machen sollen. Nein, wirklich nicht. Ich hätte mich…« Er schüttelte den Kopf, hustete und starrte auf das rissige Pflaster der schmalen Gasse. Seine rechte Hand fuhr in die Tasche. Die suchenden Finger ertasteten das kühle Metall der Luger. Die Waffe, auf die sich Garry Gibson immer verlassen hatte, würde ihn auch heute nicht im Stich lassen. Es fragte sich nur, ob sie ihm auch etwas nützte, denn die anderen waren kaum zu besiegen.
Vorsichtig schaute Gibson sich um.
Die Straße war nicht leer. Aus einer Bar torkelten zwei Betrunkene, unter einer Laterne stand ein Strichmädchen. Es hatte sich in einen warmen Pelz gehüllt, den brauchte man in der Nacht, denn der Januar hatte noch einmal den trockenen Frost gebracht.
Garry Gibson stellte seinen Mantelkragen hoch, rammte beide Hände in die Taschen und ging die Straße hinunter.
Er mußte auch an der Laterne vorbei.
»He Süßer«, sagte die Nutte. »Möchtest du dir nicht bei mir ein paar warme Gedanken machen?«
Garry lief weiter.
»Verdammter Geizhals!« schrie die unechte Blondine ihm nach.
Anschließend folgte ein sehr wüstes Schimpfwort, um das sich Garry Gibson allerdings nicht kümmerte.
Er hatte andere Sorgen. Und dabei war der Anfang völlig normal gewesen. Ein Routinejob, mehr nicht.
Garry stammte aus Glasgow. Dort war er aufgewachsen, zur Schule gegangen, hatte als Tankwart, Fernfahrer, Diskjockey und Fußballer gejobbt und ein ziemlich wildes Leben geführt. Bis er 30 wurde. Da hatte er eine innere Wandlung erfahren, sich eine Zeitung gekauft und die Stellenangebote durchgelesen. Für ihn war nichts dabei gewesen, bis sein Blick auf eine kleine Anzeige fiel.
Eine Schule bildete dort Privatdetektive aus.
Durch Fernsehserien animiert, war Garry voll auf die Anzeige abgefahren. Er bestand eine Aufnahmeprüfung und bekam eine dreimonatige Schulung. Dann ließ man ihn auf Klienten los. Meist ging es um Scheidungsfälle und kleinere Erpressungen. Garry löste die Fälle und bekam größere.
Wie auch vor vier Tagen. Da sollte er einen Diplomaten aus dem Senegal beobachten, der angeblich Gelder unterschlagen hatte. Garry hängte sich an den Diplomaten und landete in London, wo der gute Politiker sich sofort nach Soho begab. Hier verlor Garry erst einmal die Spur des Mannes. Allerdings hatte sich Gibson im selben Hotel einquartiert wie der Schwarze, und am nächsten Abend blieb er Ogabe, so hieß der Typ, auf den Fersen.
Wieder ging es nach Soho.
Und diesmal wurde es spannend, denn Ogabe verschwand in einem obskuren Haus, das nur von Farbigen bewohnt wurde. Garry knackte ein Schloß und folgte ihm weiter.
Er landete im Keller.
Was er dort zu sehen bekam, war so schlimm und makaber, daß selbst der abgebrühte Garry Gibson nicht mehr weitermachte und die Flucht ergriff. Er dachte darüber nach, ob er den Job abbrechen sollte, doch Garry hatte Ehrgeiz. Er wollte weitermachen, und an den nächsten Tagen folgte er Ogabe wieder.
Dann entdeckten sie ihn.
Mit Müh und Not gelang es Gibson, dem Haus zu entkommen, aber sie blieben auf seiner Spur. Und sie schienen überall ihre Leute sitzen zu haben, denn wenn jemand irgendwo die Trommel anschlug, wurde schon woanders geantwortet.
Der Detektiv erreichte das Ende der Straße. Hier blieb er erst einmal stehen.
Nachdem sich sein Atem beruhigt hatte, stellte er fest, daß der Trommelklang verstummt war.
Garry lachte auf und schüttelte den Kopf. Sie hatten seine Spur verloren.
Geschafft!
Er holte die Zigaretten hervor und zündete sich ein Stäbchen an.
Tief inhalierte er den Rauch. Durch die Nasenlöcher ließ er ihn wieder ausströmen. Vor seinem Gesicht mischte sich der Rauch mit dem Atem.
Garry wandte sich nach links. Wo er sich genau befand, wußte er nicht. London war ihm fremd. Soho mit seinen engen Gassen und zahlreichen Straßen erst recht. Auch herrschte um diese Jahreszeit so gut wie kein Betrieb. Bei der Kälte zogen es selbst vergnügungssüchtige
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