0157 - Die Hexe und der Höllensohn

Gruselgeschichten?«
    Bill zuckte mit den Schultern. »Hin und wieder schreibt er auch Zukunftsromane. Er benutzt verschiedene Pseudonyme. Auf jeden Fall hat er einen ziemlichen Überblick, was so an echten und literarischen Nachtschattengewächsen auf der Erde fleucht und kreucht.«
    Wieder kam eine rasante Kurve, diesmal nach rechts. Im nächsten Moment lag die Bahnschranke vor ihnen.
    Bill schaffte es, den Granada innerhalb von fünf Metern zum Stillstand zu bringen. Der weiße Wagen berührte mit der Stoßstange fast die Fallgitter der geschlossenen Schranke.
    Bill fluchte wild. »Wetten, daß der Zug erst in einer halben Stunde in Berlin abfährt? Trotzdem dreht dieser Schwachkopf bereits jetzt die Schranke herunter.«
    »Du scheinst dich auszukennen«, bemerkte Zamorra. Der Historiker schnaufte. »Es vergeht kein Tag, wo ich nicht mindestens zehnmal vor dieser verdammten Schranke stehe. Ich habe es in den acht Tagen, in denen wir hier sind, nicht ein einziges Mal erlebt, daß die Schranke geöffnet war. Verdammt noch mal…«
    Von einem Zug war weit und breit nichts zu sehen.
    Plötzlich verengte Bill die Augen. »Da, hinter der Schranke! Da steht ein Kadett! Zwei Leute drin… das muß Django sein!«
    »Woraus schließt du das?« fragte Zamorra.
    »Weil hier das Südertor ist«, konterte der Historiker.
    Abermals ging Zamorras Blick in die Runde.
    »Siehst du hier irgendwo eine Telefonzelle?« fragte er.
    Bill schüttelte den Kopf.
    »Eben«, knurrte der Professor. »Warte mal, da links scheint eine Fußgängerunterführung zu sein. Ich sause schon mal vor.« Und ehe Bill protestieren konnte, hatte der Meister des Übersinnlichen den Wagen verlassen und spurtete quer über die Straße auf den Unterführungsschacht zu.
    Er stürmte die Treppe hinunter. Hohl hallten seine Schritte in dem Tunnel, dann kam er auf der anderen Seite wieder zum Vorschein. - Der Zug war immer noch nicht da.
    Direkt vor ihm stand jetzt der graue Kadett.
    Zamorra öffnete das Hemd. Jetzt lag das Amulett frei. Matt schimmerte das Silber auf, als eine Wolkenbank aufriß und das Mondlicht die Scheibe traf.
    Der Drudenfuß in der Mitte glomm grünlich auf.
    »Gefahr…« murmelte der Professor. War er im Begriff, in eine Falle zu laufen?
    Noch langsamer ging er auf den Kadett zu, der mit brennender Beleuchtung, aber abgeschaltetem Motor am Straßenrand stand. Kein anderes Fahrzeug war unterwegs. Unwillkürlich sah Zamorra auf seine Armbanduhr. Kurz vor Mitternacht!
    Mitternacht - Geisterstunde!
    Er verharrte, versuchte eine Reaktion des Amuletts zu erkennen. Doch es veränderte sich nicht. Keine Vibration, keine Erwärmung, die die Anwesenheit eines Dämons anzeigte. Nur das schwache Grünlicht des Drudenfußes blieb.
    Dennoch wurde das Gefühl, offenen Auges in eine Falle zu laufen, in Professor Zamorra immer größer.
    Er streckte die Hand aus, griff nach der Fahrertür und riß sie mit einem heftigen Ruck auf.
    Die beiden Insassen rührten sich nicht.
    Bill hatte recht. Es handelte sich um Michael Schatten und den Mann, den er unter dem Namen Claus kennengelernt hatte.
    Der Drudenfuß leuchtete heller. Mit den beiden Menschen stimmte etwas nicht.
    Im nächsten Moment schnellte sich der Schriftsteller von seinem Sitz. Blitzschnell schlossen sich seine Hände um den Hals des Parapsychologen.
    Doch das war es nicht, was Zamorra entsetzte, für Sekunden förmlich lähmte.
    Der Grund für sein Erschrecken war, daß der Schriftsteller ihn zu sehen schien, obgleich er die Augen geschlossen hielt!
    ***
    Ungeduldig wartete Bill Fleming und sah alle paar Sekunden zum Türmchen des Schrankenwärters empor. Ein paarmal geriet er in Versuchung, sich mit Macht auf die Hupe zu stemmen. Aber damit würde er auch nichts erreichen, sich höchstens eine Anzeige wegen Mißbrauchs des Warnsignals und ruhestörenden Lärms einhandeln. In dieser Hinsicht glichen die deutschen Polizisten ihren Kollegen in den Staaten; sie waren sehr empfindlich, was diese Dinge anging.
    Endlich rauschte der Zug heran. Es war der Augenblick, in dem Zamorra auf den Kadett zuschritt.
    Bill saß auf glühenden Kohlen. Er witterte förmlich, daß etwas geschehen mußte. Hier stimmte nichts mehr. Ein Anruf ohne Telefonzelle. Zwei reglose Menschen in einem stehenden Wagen, sonst nichts… hier war alles faul.
    Eine Lokomotive und ungefähr acht Personenwagen donnerten an ihm vorbei, hell erleuchtet und abgesehen von zwei Schaffnern leer. Sie sollten die Preise senken, überlegte Bill,