0165 - Nocturno - Herrscher der Nacht
Aus dem Innern des Pontiac ertönte ein Schrei, wie er niemals, nicht einmal in höchster Todesnot, aus der Kehle eines Menschen kommen kann. Blitzschnell raste der Schrei die Tonleiter hinauf und verschwand im Ultraschallbereich. Die beiden Schwarzgekleideten fuhren wieder herum.
Klemmer drehte durch.
Er begriff nur, daß da im Wagen jemand ermordet worden sein mußte. Er zog die Dienstwaffe. »Polizei!« schrie er. »Stehenbleiben, Waffen weg, oder ich schieße!«
Mit hoher Geschwindigkeit und gellendem Martinshorn fegte der Bulli heran.
Der kam zu spät.
Einer der Schwarzen fuhr herum und richtete seine eigenartig geformte Waffe auf Klemmer. Der drückte ab, hatte auf den Oberschenkel des Mannes gezielt. Im gleichen Augenblick ertönte wieder das Zischen, und Klemmer sah den fahlen Blitz auf sich zurasen.
Der zweite Schwarze schoß auf den Bulli.
Dessen Frontscheibe zerplatzte. Der Fahrer verriß das Lenkrad, der Polizeiwagen kam von der Fahrbahn ab und knallte frontal gegen einen der Alleebäume. Klemmer spürte, daß er getroffen worden war, und drückte noch einmal ab. Der Schwarze warf die Arme in die Luft und brach zusammen. Der andere schnellte sich in den schwarzen Mercedes. Die Reifen kreischten auf, als der schwere Wagen startete, an den abgestoppten anderen Wagen vorbeiraste und davonjagte.
Aus dem Bulli sprang der Beifahrer, aus einer Platzwunde am Kopf blutend, rannte auf die Straße und feuerte hinter dem Mercedes her. Er verschoß das gesamte Magazin seiner Dienstwaffe, verfehlte den Wagen aber, der mit einer geradezu irrsinnigen Geschwindigkeit dem Stadtzentrum zuraste.
Klemmer ließ seine eigene Waffe sinken. Eine seltsame Müdigkeit nahm von ihm Besitz, und vergeblich suchte er nach seinem linken Arm. Er spürte keinen Schmerz, nur diese eigenartige Müdigkeit, und es ließ ihn kalt, daß sich der Auflösungsprozeß fortsetzte.
Brams kam wieder auf die Beine. Entsetzt starrte er Klemmer an und wich vor ihm zurück. »Thomas, du…«
Klemmer ging langsam auf die Straße hinaus. Er schwankte etwas. Ringe tanzten vor seinen Augen. Warum war der Mercedes bei dem furchtbaren Zusammenprall nicht im mindesten beschädigt worden?
»Brams, gib das Kennzeichen durch«, sagte Klemmer müde. »Schwarzer Mercedes 500 SE, amtliches Kennzeichen…« Er leierte die Nummer herunter. »Großfahndung einleiten.«
»Mann, dein Arm«, keuchte Brams. »Du brauchst sofort einen Arzt, du…«
Klemmer sah gelassen zu, wie seine Schulter sich zersetzte. Er spürte keine Schmerzen, und er wußte, daß bald alles vorbei war. »Ich brauche keinen Arzt mehr«, erwiderte er.
Neben dem Pontiac kniete er nieder und griff durch die zersplitterte Scheibe der Fahrertür ins Innere. Während sich bereits fast hundert Schaulustige versammelt hatten, kam seine Hand wieder ins Freie und war mit einer schleimigen, grünen Gallertmasse beschmiert, Überreste dessen, der den Pontiac einmal gefahren und gegen den Mercedes gesteuert hatte.
Klemmer begriff ebensowenig wie die anderen, was sich hier abgespielt hatte. Er wußte nur eines: Es war unglaublich. Wie in einem Alptraum.
»Brams, sag Ilse Bescheid und den Kindern«, murmelte Klemmer. Dann lehnte er sich gegen den zertrümmerten, bis zur Unkenntlichkeit verformten Pontiac und wartete auf das Ende seines Auflösungsprozesses.
***
»Guck dir den Idioten an«, sagte Markus Vierer und zeigte nach vorn. »Seit wann ist die Straßenmitte ein Parkplatz?«
Julia am Lenkrad warf den Kopf in den Nacken und trat bedächtig auf die Bremse. Zaghaft faßten die Bremsen und brachten den »Döschewo« ein paar Meter vor dem Hindernis zum Stehen. Julia zog die altersschwache Handbremse und öffnete die Tür. Neben ihr kletterte Markus umständlich aus dem eigenartig lackierten 2 CV 6 und schraubte seine endlos lange Gestalt in die Höhe. Mit schlaksigen Bewegungen folgte er Julia Cornell, die den Käfer fast erreicht hatte. »Keiner drin«, stellte er von weitem fest.
Das schwarzhaarige Mädchen in Sandalen, Jeans und Schlabberhemd ging um den Volkswagen herum und rüttelte an den Türen. »Verriegelt und verrammelt«, sagte sie.
Markus packte die Sache von der praktischen Seite an. Er stemmte sich gegen das Wagenheck, um den Kugelporsche zur anderen Straßenseite zu schieben und damit aus dem Weg zu räumen. Bloß hatte der Wagen etwas dagegen.
»Puh!« stöhnte Markus schließlich. »Entweder Handbremse oder Gang. Den kriegen wir hier nicht weg.«
»Und wenn wir ihn anheben
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