0166 - Das Werwolf-Mädchen
trug. Sie strich mit der Hand über sein Rückenfell.
»Alles klar, Harry«, sagte sie. »Laß uns gehen.«
Wohin? fragte er in der Wolfssprache zurück.
»Pierre Yardin«, sagte sie. »Er ist unser Feind. Er muß vernichtet werden. Er tötete drei deiner Gefährten und ist gefährlich, weil er die Wahrheit kennt.«
Der Wolf knurrte bestätigend. Pierre Yardin also hieß sein Feind. Der Mann, der im Auto gesessen hatte.
Die Hölle sollte ihn verschlingen.
»Und der andere, der vernichtet werden muß«, fuhr die Herrin fort, »ist Zamorra. Ich nehme an, daß er sich bei Yardin aufhält.«
Womit sie durchaus Recht hatte.
Ihr Kopf veränderte sich, wurde wieder menschlich. Und mit dem Wolf an ihrer Seite verließ sie das Polizeigebäude.
Wo versteckt sich Yardin? fragte Yakka/Winter auf seine Art.
»Wir werden es erfahren«, sagte die Herrin und schlug dann die gleiche Vorgehensweise vor, die der Wolf selbst auch schon in Erwägung gezogen hatte. »Er ist Polizist, und Polizisten sind immer telefonisch erreichbar. Im Telefonbuch wird seine Anschrift verzeichnet sein.«
Der Wolf knurrte zufrieden.
Die Herrin würde es noch leichter haben als er selbst. Denn ihre Zweibeinergestalt prädestinierte sie geradezu dafür, in einem Telefonbuch zu blättern.
Bereits zehn Minuten später wußten sie, wo Pierre Yardin wohnte.
Und zwei Ungeheuer begannen ihren Weg durch die Nacht. Ein Wolf, der einmal ein Mensch gewesen war, und eine Kreatur, die wahlweise Mensch oder Wolf sein konnte.
Niemand beobachtete sie, während sie durch das nächtliche Ploumanac’h gingen. Niemand ahnte, daß der Tod in der Stadt war und sich bereit machte, seine bereits ausgewählten Opfer zu morden.
Nicht einmal Professor Zamorra ahnte etwas.
Er wähnte das Werwolf-Mädchen in sicherem Gewahrsam…
***
Sie hatten Yardins Haus wieder betreten. »Schade, daß es mit der Strandparty nicht geklappt hat«, brummte der Inspektor. »Aber ich habe wirklich keine Lust mehr, da draußen noch zu feiern. Die Stimmung ist vorbei.«
Zamorra nickte. »Mir geht es ähnlich«, sagte er.
Monique, die als derzeitige Favoritin des ewigen Junggesellen Yardin in dessen Behausung sozusagen Hausrecht besaß, ließ sich auf Zamorras Sesselkante nieder. »Was ist das eigentlich für ein Amulett?« fragte sie. »Es sieht unheimlich chic aus.«
Zamorra öffnete einmal mehr das Hemd, streifte das Amulett am Silberkettchen über den Kopf und reichte es dem Mädchen. Monique bewegte es interessiert zwischen den Fingern.
Zamorra begann mit wenigen Worten, die Geschichte des Amuletts zu erzählen. Von dem legendären Zauberer Merlin aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen, hatte es eine Zeitlang einem der Vorfahren Zamorras, Leonardo de Montagne, gehört, welcher die magischen Kräfte der Silberscheibe zu seinen finstern Zwecken benutzte. Leonardo hatte sich der Schwarzen Magie verschrieben. Anläßlich einer »Zeitreise« in die Vergangenheit hatte Zamorra ihn persönlich kennengelernt. [1] Aber jeder Pakt mit dem Bösen verlangt seinen Tribut. Leonardo hatte ein furchtbares Ende gefunden.
Vor einigen Jahren hatte der Professor das Amulett dann übernommen und mit ihm die Aufgabe, die Mächte des Bösen zu bekämpfen, wo immer er auf sie traf. Sein Beruf als Parapsychologe war die ideale Voraussetzung dafür. Er widmete sich seiner neuen Aufgabe mit aller Kraft, unterstützt durch das Amulett, mit dem Erfolg, daß er mittlerweile auf der »Schwarzen Liste« der Schwarzblütigen ganz weit oben stand. Sie setzten alles daran, ihn zu vernichten.
Seltsamerweise war die Existenz des Amuletts aber nicht nur auf der Erde bekannt. Zamorra hatte Kontakte zu einer nichtmenschlichen Rasse in einer anderen Dimension gehabt. Die Chibb, wie sie sich nannten mit ihrer Silberhaut, kannten das Amulett ebenfalls. Es hatte einen festen Platz in ihrer Mythologie als das »Medaillon der Macht«.
Monique zeigte sich von Zamorras Ausführungen beeindruckt. »Und was bedeuten diese Zeichen?« frage sie schließlich.
»Ich weiß es nicht«, brummte Zamorra. »Niemand weiß es genau. Die bedeutendsten Schriftforscher der Erde haben kapitulieren müssen. Vielleicht ist es eine Art Druidenschrift. Deren Kultur konnte ja niemals richtig erforscht werden, weil es keinerlei Aufzeichnungen gibt, die jemals Normalmenschen in die Hände fielen.«
Monique sah zu Yardin hinüber, der sich in seinem Sessel gemütlich ausgestreckt hatte. »Ich finde es aufregend«, sagte sie. Ihr Blick
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