Wenn das der Führer wüßte
Vorwort
Otto Basils Roman Wenn das der Führer wüßte befaßt sich mit einer Thematik, die in diesem Land erst allmählich und in immer umfassenderer Form zum Allgemeingut wird: mit der Vergangenheitsbewältigung der Ära des Faschismus.
Dabei ist die Methode des Autors ungewöhnlich. Nicht Rückschau wird betrieben, sondern Vor-Schau. Oder besser: Die Rückschau auf die Ära des Faschismus wird literarisch über einen Alternativweltroman vermittelt, dessen handlungsleitende Frage lautet: „Was wäre geworden, wenn das faschistische Deutschland den Krieg gewonnen hätte und die NSDAP als herrschende Partei ihre ideologischen Ziele und Zukunftsvorstellungen hätte durchsetzen können? Wie wäre es unter logischer Berücksichtigung aller bekannten Faktoren nach einem Sieg auf den Schlachtfeldern der Welt im „tausendjährigen“ Reich weitergegangen?“
Eine solche Fragestellung ist in Deutschland noch nicht konsequent zu Ende gedacht worden. Es ist das Verdienst des österreichischen Schriftstellers Otto Basil, hier Neuland betreten zu haben.
Der Zugang zu Basils Roman ist dabei nicht leicht, weil der Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung mit Hilfe der genannten, ungewöhnlichen Methode der Zukunftsschau nach dem „Was wäre, wenn …“-Prinzip gestaltet ist. Der Roman fängt damit dort an, wo andere aufhören. Er ist ein Science Fiction-Roman besonderer Art. Er beschreibt nationalsozialistische Ideologie und Wirklichkeit nicht in ihrer Zeit, sondern denkt Ideologie und mögliche Wirklichkeit konsequent und und sachlogisch nach vorn. Dies, um zu zeigen, wie es hätte kommen können.
Zum Verständnis des Werks erscheint es daher dienlich, sich grundlegende ideologische Aussagen und Zukunftsvisionen des Nationalsozialismus ins Gedächtnis zurückzurufen. Auf diese Art und Weise wird der Leser einerseits in die Lage versetzt, vor dem eigentlichen Leseakt einen ähnlichen Ausgangspunkt wie der Autor zu gewinnen, andererseits wird vom Inhalt des Romans noch nichts verraten, so daß der Lesespaß und auch die Notwendigkeit zur eigenen Auseinandersetzung mit dem Text erhalten bleiben.
Die Ideologie des Faschismus kreist – in aller Kürze dargestellt – um folgende Grundanschauungen:
a) Die Arier sind die Kulturschöpfer der Welt.
b) Der Zerfall der Kultur beginnt dort, wo der natürliche Zusammenhang des rassisch reinen Ariers zu seinem Boden („Blut und Boden“-Ideoiogie) verlorengeht, wo rassefremde Elemente die kulturschöpfende Kraft des Ariers zersetzen und ihn von seinem Boden als Garant für ein gesundes Volkstum trennen.
c) Der angebliche Protagonist für diese Entwicklung ist der Jude, der das arische Blut verunreinigt, der die natürlichen Wirtschaftsbeziehungen der Arier untereinander durch Finanzmonopol und Wucher zerstört und der auch im Bereich von Geistesleben und Wissenschaft die Reinheit des arischen (Gefühls-)Denkens durch seinen perfiden „Materialismus“ untergräbt und der sich d) auf dieser Grundlage mit dem hochgefährlichen, staatsfeindlichen „jüdisch-bolschewistischen Marxismus“ verbündet und die arische und somit eigentliche Kultur mit vollständiger Vernichtung bedroht.
Dieses Weltbild der Nationalsozialisten ist der Ausgangspunkt für ihre Propaganda und für ihre Zukunftsvisionen:
a) Die Arier müssen wieder zum Kulturschöpfer werden.
b) „Blut und Boden“ müssen wieder zum Urelement des deutschen Volkes werden. Dazu bedarf es unter anderem des „Lebensraumes im Osten“ und der Rassenhygiene, die c) im wesentlichen durch die Eliminierung des Kulturzerstörers Jude als Rasse, Wirtschafts- und Geistesfaktor bis hin zur Vernichtung des d) Zentrums des „jüdisch-bolschewistischen Marxismus“ reicht, nämlich bis zum Angriff auf die Sowjetunion.
Die Verwirklichung dieser Zukunftsvisionen wurde von den Nationalsozialisten nicht nur propagiert, sondern zielgerichtet in Angriff genommen. Die Methoden und Maßnahmen dazu sind bekannt:
a) Die Rassenhygiene des deutschen Volkes wurde vorangetrieben durch die Einführung von Ahnenpässen, durch das Verbot von Mischheiraten, durch die Absorption arischer Elemente außerhalb des Staatsgebiets des Deutschen Reiches („Heim ins Reich“), schließlich gar durch die Einrichtung von „Zuchtmutterklöstern“, in denen besonders ausgewählte arische Frauen mit besonders ausgewählten arischen SS-Männern zwecks Züchtung eines neuen arischen Herrenmenschen zusammengeführt wurden. Dies
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