0168 - Die Teufels-Dschunke
der Haut, was bei der Chinesin ein Frösteln verursachte.
»Das hättest du dir sparen können«, sagte der Mann und lachte leise.
Shao hob die Schultern. »Was haben Sie mit mir vor?« fragte sie leise. »Warum entführen Sie mich?«
»Es hat jemand Sehnsucht nach dir.«
»Und wer?«
»Du kennst ihn nicht. Aber du wirst ihn bald kennenlernen, Schwester. Dann gehörst du vielleicht auch zu ihm.« Jetzt lachte der Chinese leise. Er deutete auf seine Stirn. »Siehst du dort das Zeichen?«
»Ja.«
»Das ist die Schlange. Wir sind stolz darauf, ihm dienen zu können.«
»Es gibt Leute, die Tschu Wang vernichten werden!« erklärte Shao fest.
»Du kennst ihn also.«
»Nur seinen Namen.«
»Dann kannst du dich darauf freuen, ihm bald persönlich gegenüberzustehen.«
Der Mann am Steuer drehte sich um. »Rede nicht soviel!« herrschte er den anderen an.
Der nickte.
Bisher hatten sie sich chinesisch unterhalten. In einem Dialekt, den auch Shao verstehen konnte, denn er wurde auch in der Nähe von Hongkong gesprochen.
Der Fahrer beschleunigte. Shao, die hin und wieder aus dem Fenster blickte, bekam mit, daß sie sich dem Hafen näherten. Dann bogen sie jedoch ab und fuhren in östliche Richtung, so daß sie irgendwann die Londoner Stadtgrenze hinter sich lassen mußten und in das Gebiet kamen, wo zahlreiche Firmen ihren Sitz in der Nähe des Flusses gefunden hatten. Hier kam kaum noch ein Mensch hin. Die Ufer waren verschlammt. Ein paar Meilen weiter standen dann die Bootshäuser, wo sich manch Londoner Bürger einen Wochenendwohnsitz eingerichtet hatte. Um diese Zeit standen die Häuser leer.
Die Ferien hatten noch nicht begonnen.
Lag da vielleicht ihr Ziel?
Shao kannte die Namen der Straßen nicht mehr, die der Wagen fuhr. Nur die Gegend wurde einsamer. Dann bogen sie ab und gerieten auf einen schmalen Weg, der hinunter zum Fluß führte.
In Kurven wand er sich der Themse entgegen. Zum Teil war er nur mit Asphalt bedeckt, ansonsten wuchsen Grasbüschel aus dem Boden. Rechts lagen einige Gebäude. Das mußte bereits am Ufer der Themse sein, und dann fuhr der Mercedes quer über eine Wiese, um diese Gebäude anzusteuern.
Zwei Minuten später stoppten sie.
»Aussteigen!« Die Stimme von Shaos Bewacher ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Die Chinesin verließ den Wagen. Als sie sich hinstellte, überkam sie ein leichtes Schwindelgefühl. Überbleibsel der eingeatmeten Gasmenge, die sie doch noch nicht verkraftet hatte, denn auch in den Knien spürte sie ein weiches Gefühl.
Trotzdem riß sie sich zusammen, schaute sich um und prägte sich Einzelheiten ein.
Vor ihr und ziemlich dicht am Ufer befand sich das hohe Holzgebäude, das auf sie wie eine primitive, mit einem Dach versehene Werft aus Holz wirkte, aber ebensogut ein Bootshaus sein konnte.
Wahrscheinlich war es das auch.
Sie roch den Fluß. Dieser Geruch war typisch, und sie hörte auch das Rauschen.
Man nahm sie in die Mitte. Die beiden, die nicht gefahren hatten, hielten ihre Arme fest und führten sie auf das Haus zu. Der Fahrer war schon vorgegangen.
Shao ahnte, daß dieser Bau ihr Gefängnis und vielleicht auch ihre Todesstätte werden sollte. Abermals keimte die Angst in ihr hoch, und sie begann zu zittern.
Plötzlich blieben die Männer stehen. Das hatte seinen Grund, denn für den Bruchteil einer Sekunde waren sie von einem hellen Licht gestreift worden.
Scheinwerfer!
Dann wurde es wieder dämmrig. Es gab jedoch keinen Zweifel, daß sich ein Wagen in der Nähe befand.
Zwar rauschte der Fluß, aber die Geräusche des Motors waren trotzdem zu vernehmen.
Die drei Chinesen zischten sich gegenseitig einen Befehl zu. Shao merkte, daß auch sie mit einbezogen wurde. Der Druck der Hände verstärkte sich, jemand trat in ihre Kniekehlen, und sie kippte zu Boden. Ein Schatten fiel über sie, und die Stimme eines Mannes zischte leise an ihrem Ohr: »Liegenbleiben!«
Shao gehorchte. Sie wußte nicht, worum es ging, aber sie wollte es mitbekommen.
Vorsichtig drehte sie den Kopf zur Seite.
Shao sah, daß die drei Männer nach vorn huschten. Gleichzeitig teilten sie sich, so daß sich zwischen ihnen eine Distanz von etwa fünf Yards befand.
Das Land fiel zum Ufer hin etwas ab. Wenn Shao zurückschaute, dann blickte sie über etwas aufsteigendes Gelände. Und dort oben, wo es in eine flachere Ebene überging, da sah sie den Wagen. Er schoß heran, eine schwere Limousine amerikanischen Ursprungs, wurde abgebremst, und vier Türen
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