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017 - Blick in die Vergangenheit

017 - Blick in die Vergangenheit

Titel: 017 - Blick in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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übergestülpt. »Allein durch ihre Körperarbeit versuchten die Spieler den Ball in der Luft zu halten. Durch den fliegenden Ball sollte der Lauf der Sonne symbolisiert werden.« Ursprünglich wollte die Museumsdirektion die Ausstellung auf die Mexican Gallery beschränken, eine relativ kleine Abteilung im Zentrum des Britischen Museums. Jagger hatte eine nicht unerhebliche Erweiterung der Ausstellung durchgesetzt. Tatsächlich wurden ihm Räume der angrenzenden Münzsammlung und der British Library zur Verfügung gestellt. Sogar das zentrale Kuppelgebäude des Lese- saals der British Library hatte ihm die Mu- seumsleitung schließlich bewilligt. Dort wollte Jagger die zahlreichen Dokumente der spanischen Eroberer ausstellen.
    »Fiel der Ball zu Boden, so hieß das: Der Lauf der Sonne ist unterbrochen. Er konnte nach Vorstellung der Mayas nur dadurch wieder in Gang gesetzt werden, dass die Mannschaft, die den Ball hatte fallen lassen, ihn treffsicher durch einen Steinring schleuderte. Wenn der Werfer den Ring verfehlte, hatte seine Mannschaft verloren. Und wurde dem Sonnengott geopfert, um ihn durch ihr Blut wieder zu stärken.«
    Jagger schüttelte sich. Für Sekunden glaubte er zu fühlen, was diese Ballspieler vor über elfhundert Jahren gefühlt hatten - ihre fast schmerzhafte Anspannung, den stillen Ernst, mit dem sie das Spielfeld betraten, die äußerste Konzentration, mit der sie den schweren Ball im Auge behielten, und den eisigen Schauer, wenn sie den Ball verfehlten, wenn die Kautschuk-Kugel auf den Boden prallte.
    Kein Ball mehr in diesem Augenblick sondern ein Himmelskörper, die abgestürzte Sonne. Eine Sonne war auf die Erde gestürzt - und sie hatten die Schuld…
    ***
    »Uuh…«, seufzte Jagger. Wieder schüttelte er sich. »Stellen Sie sich ein Champions League Finale vor, Ladies und Gentlemen. Es kommt zum Elfmeterschießen, Archer Lionel verschießt den Ball und Arsenal London verliert das Finale…« Lionel war zurzeit der absolute Fußballstar in Großbritannien. »Und stellen Sie sich vor, man würde ihn nach dem Spiel in die Westminster Abbey bringen und ihm dort auf dem Altar das Herz aus der Brust…« Eine Vibration über seinem Herzen kühlte seine überschäumende Phantasie ab. Er zog sein Telefon aus der Brusttasche des Hemdes.
    »Jagger?«
    »Wann kommst du, Richie?« Die Stimme seiner Frau. Dünn und ein wenig heiser. Die Sache mit dem Kometen nahm Ruth mehr mit, als es nach Jaggers Meinung gesund war.
    Alle paar Jahrzehnte zog so ein Dreck- klumpen an der guten alten Erde vorbei. Und alle paar Jahrzehnte schrien die Boulevardpresse und ein paar Fernsehsender:
    »Apokalypse now!« Und rieben sich heimlich die Hände, wenn Auflagen und Einschaltquoten stiegen.
    »Bin unterwegs…« Jagger sah auf die Uhr.
    »Hey, Baby schon nach halb zehn! Jemand muss die Stunden verkürzt haben! Wahrscheinlich dieser kuriose Komet…«
    »Mach dich nicht lustig, Richie.« Ruth' Stimme klang jetzt trotzig und vorwurfsvoll.
    »In den Abendnachrichten hieß es, er wird mit der Erde kollidieren. Mit einer Wahrscheinlichkeit von einundachtzig Prozent…«
    »Was für einen Sender hast du denn gesehen, Baby?« Er tat heiterer, als ihm plötzlich zumute war.
    Ruth ging nicht darauf ein. »Wann kommst du?«
    »Ich mach Schluss für heute. In einer halben Stunde bin ich zu Hause.«
    »Viel zu spät«, nörgelte sie. »Die Kinder schlafen schon.«
    »John auch?«, fragte Jagger verwundert. Der neunjährige John war das älteste seiner drei Kinder. »Morgen ist doch Samstag!«
    »Er hat sich nach den Abendnachrichten ins Bett verzogen…« Unsicher klang Ruth jetzt.
    »Was hätte ich ihm sagen sollen?«
    Jagger schluckte. »Bin schon unterwegs.« Er klemmte das Telefon in seiner Hemdtasche fest, bückte sich und drückte die Stopptaste des Mini-Disc-Players. Hastig räumte er die Unterlagen zusammen, legte sie in seinen Aluminiumkoffer und schlüpfte in den schwarzen Trenchcoat. Seine gute Stimmung war dahin plötzlich. Die Worte seiner Frau hallten in seinem Hirn nach - mit einer Wahr- scheinlichkeit von einundachtzig Prozent - Er versuchte nicht daran zu denken.
    Durch den Mittelraum der British Library lief er zur Treppe. Ein knie hohes Podest nahm einen Großteil des Raumes ein - weiß, leer und fast zwanzig Quadratmeter groß. Auf ihm wollte Jagger mit seinen Studenten im Laufe des Monats ein Bauwerk der Mayas errichten. Die Pyramide von Chichon Itza. Im Maßstab eins zu fünf.
    Mit einer

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