0172 - Ghouls in der U-Bahn
über den Parkplatz, bogen in die Lyall Street ein und rollten langsam weiter.
Beiden stand auch nicht die Lust danach, irgendwelche Rennen zu veranstalten, denn ihre Mägen waren zu voll. Selbst Shao sehr kritisch, was chinesische Restaurants betraf mußte zugeben, daß ihr das Essen hervorragend gemundet hatte.
Sie, befanden sich in einer wirklich guten Stimmung und freuten sich schon darauf, den Abend in einem Pub zu beschließen, wo zahlreiche Biersorten zur Auswahl standen.
Bevor sie das Ende der Straße erreicht hatten, bremste Suko ab, drehte den Kopf zu Shao hin und klappte das Sichtvisier des Helms hoch.
Shao tat es ihm nach. »Was hast du?«
»Wir warten hier.«
»Auf John?«
Suko lachte. »Auf wen sonst?«
»Aber er will doch nachkommen.«
»Klar. Warum sollen wir nicht zusammen fahren?«
»Du willst doch kein Rennen veranstalten?« argwöhnte das Girl, das seine langen schwarzen Harre unter einem Helm verborgen hatte.
»Woher.« Suko behielt den Teil der Straße hinter ihnen im Auge. Er schaute dabei in den Rückspiegel.
Da kamen Wagen, aber ein Bentley war nicht dabei. Den erkannte Suko schon an der Form seiner Scheinwerfer. Es fuhr ein Morris vorbei, zwei deutsche Wagen, ein Franzose. London war eben an jeder Straßenecke international.
»Wo bleibt John denn nur?« beschwerte sich nun auch Shao.
Suko hob die Schultern.
Shao kicherte plötzlich. »Vielleicht hat er das Essen nicht vertragen und quält sich jetzt auf der Toilette herum.«
Suko grinste. »Das wäre allerdings eine Sache.«
»Sollen wir trotzdem vorfahren?«
Suko schüttelte den Kopf. »Nein, lieber nicht. Wir schauen nach. Unter Umständen ist ihm schlecht geworden und er braucht Hilfe.«
Shao lachte. »Ein Mann, der gegen Geister und Dämonen kämpft…«
»… ist in praktischen Dingen manchmal sehr hilflos«, vollendete der Chinese.
Suko startete. Die Straße war frei, und er konnte drehen. Den gleichen Weg fuhren sie wieder zurück. Ebenso langsam und auf jeden Wagen achtend.
Es war kein Bentley dabei.
Als nächstes Fahrzeug kam ihnen ein Vauxhall entgegen. Seine Reifen schmatzten über das Pflaster. Da Suko von den Scheinwerfern nicht geblendet wurde, konnte er einen Blick in den Wagen hineinwerfen.
Schattenhaft sah er die Insassen.
Es waren drei Männer. Einer saß hinter dem Lenkrad, zwei andere im Fond.
Und einen davon kannte Suko. Dieser Mann hob sogar für einen winzigen Moment die Hand.
Es war John Sinclair.
Freiwillig hockte er sicherlich nicht in dem fremden Fahrzeug. Der Bentley war viel bequemer.
Suko wendete.
***
Earl Hatfield gehörte zu den Menschen, auf die man sich verlassen konnte. Und das 100-prozentig. Er führte ein völlig normales Leben, hatte zwei Kinder großgezogen, war pflichtbewußt und hatte in seinem Job so gut wie gar nicht gefehlt.
Zudem war er ein Kenner der U-Bahn. Denn die Subway und alles, was mit ihr zusammenhing, war Earls Job und gleichzeitig auch sein Hobby.
An diesem Tag hatte er Nachtdienst. Für andere wäre dies vielleicht ein Horror gewesen, nicht so für Hatfield.
Nachts, da spürte man das wahre Leben, hatte er einmal gesagt. Da atmet die Subway, da stöhnt sie, da beschwert sie sich über den vergangenen Tag, da ächzt sie schwer, da erholt sie sich aber auch, um für den neuen Ansturm gerüstet zu sein.
Die Londoner hatten ihrer U-Bahn einen besondern Namen gegeben.
Sie nannten sie kurzerhand »Tube«. Ein liebevoller Name, auch wenn die Wagen in den Stoßzeiten oft überfüllt waren. In London ärgerte man sich nicht, da ging alles der Reihe nach, und man stieg auch wohlgesittet in die Wagen, um dort im Stehen einen letzten Blick in die Times oder den Daily Mirror zu werfen.
Die Tube gehört ebenso zu den Institutionen der Stadt wie Big Ben oder die Tower Bridge.
Und Earl Hatfield war auf eine Weise stolz darauf, zum Personal der Tube zu gehören. Zudem war er für eine besondere Aufgabe abgeteilt worden.
Earl arbeitete als Streckenwärter. Er kontrollierte am Tage und in der Nacht die Strecken, ging sie ab, und in seinem langen Leben hatte er schon manche Überraschungen in den Subway-Tunnels erlebt. Da waren nicht nur die vierbeinigen Ratten, die sich in den Schlünden herumtrieben, sondern auch zweibeinige. Sie hatten sich die Tunnels als Verstecke ausgesucht. Einmal war er dabei gewesen, als ein Bankräuber gestellt wurde, dann ein Amokläufer, und vor kurzem sollte sich sogar ein Krake irgendwo in einem anderen Stadtteil herumgetrieben haben.
Weitere Kostenlose Bücher