0177 - Melinas Mordgespenster
Der Alte Mann blieb lauschend stehen, beugte seinen Oberkörper vor und spürte die unsichtbare Hand, die seinen Rücken entlangstrich und dabei eine Gänsehaut hervorrief.
Er hatte ein Geräusch gehört.
Und zwar ein Geräusch, das nicht in die Stille der Nacht paßte. Kein sanftes Säuseln, wie der Wind es hervorrief, wenn er um das Gemäuer strich, nein, das waren Schritte gewesen, und dann hatte es einen Ton gegeben, als wäre irgend jemand gegen einen der aufgestellten Gegenstände gestoßen.
Jetzt ärgerte der Mann sich, daß er seinen Hund nicht dabei hatte.
Harro war krank, er lag in seiner Hütte und würde das Jahr wohl nicht mehr überleben. Er war auch schon sehr alt. Wie der Mann, der nachts das kleine Heimatmuseum bewachte, seit es vor zwei Monaten ungebetenen Besuch bekommen hatte.
Hatte wieder jemand eingebrochen?
Das Geräusch wies darauf hin, und der Nachtwächter wollte nachschauen, denn er hatte seine Angst überwunden. Er straffte sich.
Bestimmt waren es Jugendliche, die dem Heimatmuseum einen nächtlichen Besuch abstatteten, vielleicht wollten sie auch nur eine Mutprobe unternehmen. Wie dem auch sei, es war nicht gestattet.
Der alte Mann befand sich in dem größten Raum des kleinen Heimatmuseums. Es war der in der Mitte, wo die alten Geräte der Bauern standen. Damals wurden die Äcker noch mit Holzpflügen bearbeitet und mit den entsprechenden Eggen.
Die Pflüge, Eggen und auch andere Geräte waren ausgestellt. Oft wollten Touristen sehen, wie die Menschen früher gelebt und gearbeitet hatten und da…
Kichern!
Der Nachtwächter blieb abermals stehen. Dieses Geräusch hörte sich gar nicht nach einem Einbrecher an, es paßte nicht hierher und trieb wieder die Angst in dem Mann hoch.
Seit dem Tode seiner Frau hatte er keine solche Angst mehr gehabt, wie in diesen Augenblicken.
Wollte sich da jemand über ihn lustig machen? Das Geräusch war aus dem anderen Raum gekommen, der rechts neben dem großen lag. Dort war es schon tagsüber nicht sehr angenehm, denn in diesem Zimmer standen Folterinstrumente und auch Waffen, die früher verwendet wurden.
Sogar eine Guillotine befand sich dort. Dieses Henkerinstrument wurde von den Besuchern immer mit großen Schaudern betrachtet. Es bildete auch den Mittelpunkt des Raumes. Ansonsten hingen an den Wänden nur Ketten oder alte Lanzen und Hellebarden.
Der Nachtwächter faßte sich ein Herz und schlich soweit vor, bis er neben der Tür zum Nachbarraum stehenblieb.
Sie war verschlossen.
Wenn jemand eingestiegen war, dann durch das Fenster, denn wenn der Dieb auf normalem Wege gekommen wäre, dann hätte der Nachtwächter ihn sehen müssen.
Im anderen Raum blieb es ruhig. Der alte Mann hörte auch kein Geräusch, als er sein Ohr an das Holz legte und horchte.
War es doch eine Täuschung gewesen? Hatten ihm seine überreizten Nerven einen Streich gespielt?
Wenn ja, dann würde er es herausfinden, sobald er den Nebenraum betrat. Er warf noch einen Blick über die Schulter, wo an der gegenüberliegenden Wand die beiden Fenster lagen.
Am Himmel stand der Halbmond. Er sah aus wie eine gelbe Sichel.
Durch blasse Wolken wurde sein Licht gefiltert, so daß es irgendwie bläulich schimmerte, und da die Wolken sich bewegten, wirkte es auf den Nachtwächter so, als würden Geister ihren unheimlichen Reigen hoch am Himmel ausführen.
Er schüttelte sich.
Selten zuvor war ihm so beklommen zumute gewesen. Sein Herz schien eingeengt zu sein, als würden Hände es zusammenpressen, ja, das war die Angst.
Er erschrak selbst, als die Türklinke nach unten glitt. Unbewußt hatte er den Druck gegeben, nun mußte er auch den zweiten Teil des Weges gehen, die Tür war offen.
Er drückte sie noch weiter auf und trat über die Schwelle. Ein Fenster besaß der Raum. Durch die Scheibe fiel kein Mondlicht, entsprechend dunkel war es im Raum.
Und aus der Dunkelheit stieß ein düsterer Schatten in der Mitte des Raumes in die Höhe.
Die Guillotine!
Bewegte sich dort nicht etwas? War da nicht ein zuckender Schatten?
Er wischte sich über die Augen. Seine Nerven spielten ihm wieder einen Streich. Für diese Arbeit war er nicht geboren, und er nahm sich vor, sie an den Nagel zu hängen.
Kein Schatten nein. Beruhigt atmete er auf. Ging einen weiteren Schritt und hörte hinter sich das Pfeifen. Seine Nackenhaare stellten sich noch aufrecht, dann traf ihn der Hieb.
Wuchtig knallte der Schlag auf seine Mütze, die ihm einiges von der Härte nahm. Die Reaktion traf
Weitere Kostenlose Bücher