0177 - Melinas Mordgespenster
er einige davon in die Finger kriegen, und dann konnten sie sich warm anziehen.
Wieder wurde der Wagen durchgeschüttelt. Zum Glück hielten die Gasdruckstoßdämpfer. Für Sekunden lichtete sich der Nebel. Das war die Stelle über dem Ort. Gleich würde sich die Straße senken und wieder in eine graue Wand hineinstoßen.
Das geschah auch.
Die Schwaden stiegen vom Bach hoch, der dicht an dem alten Friedhof vorbeiführte, über den sich die Alten seltsame Spukgeschichten erzählten, worüber der blondhaarige junge Mann allerdings nur lachen konnte.
Er gab sich modern, war gewissermaßen »in« und tat Spuk oder Gespenstergeschichten nur mit einer Handbewegung ab.
Alles Kinderkram.
Der Wald auf der linken Seite war nur insofern zu sehen, als daß er sich innerhalb des Nebels als dunklere Wand abhob. Rechts standen die steinernen Begrenzungspfähle, die den Straßenrand markierten. Sie waren helle Schemen im Grau des Nebels.
An dem Mädchen wäre er fast vorbeigefahren.
Vic McGovern bemerkte die Kleine im letzten Augenblick. Sie ging rechts, schritt dicht am Hang entlang und hielt den Kopf gesenkt. Für wenige Augenblicke erfaßten die Scheinwerfer die Gestalt, bevor sie wieder verschwand.
Vic bremste.
Er hörte das Knirschen, als Steine unter den breiten Reifen weggeschleudert wurden, der Wagen wollte noch ausbrechen. Mit eiserner Hand hielt Vic ihn in der. Spur.
Er stand.
Ein Blick in den Innenspiegel.
Die Heckleuchten glühten dunkelrot. Sie schienen den wallenden Nebel hinter dem Fahrzeug mit Blut zu besprenkeln, und dann tauchte auch das Girl auf.
Es kam auf den Wagen zu.
Dabei ging es langsam und hielt den Kopf noch immer gesenkt, als würde es den Wagen überhaupt nicht wahrnehmen.
Vic grinste. Die kurze Zeitspanne hatte ihm ausgereicht, um zu erkennen, daß er die Kleine noch nie gesehen hatte. Wohnte sie vielleicht in Lauder, war sie eine Touristin, die mit ihren Eltern Urlaub machte?
Das wäre ja irre gewesen.
Vergessen war die Niederlage in der Grenzstadt, als Vic den Rückwärtsgang einlegte, das Steuer einschlug und dem Girl entgegenfuhr. Natürlich auch rasant.
Dicht neben dem Mädchen stoppte er.
Auch die Unbekannte hatte angehalten. Vic öffnete die linke Tür, wobei er sein bestes Lächeln aufsetzte. »He, schöne Unbekannte. Nachts ist es gefährlich, so allein über Schottlands Straßen zu wandern.«
Das Girl blieb stehen.
Da dies dicht neben dem Wagen geschah, konnte Vic McGovern die Kleine auch anschauen: Was er sah, war durchaus angetan, seinen Blutdruck ansteigen zu lassen.
Das Haar schimmerte rötlich braun. Es war zu Locken gedreht, fiel in Höhe des Halses nach innen und berührte dort die Haut. Die Figur schien auch okay zu sein, denn unter dem Pullover zeichneten sich die Umrisse eines Busens ab, von dem Vics Blick wie magisch angezogen wurde. Das Gesicht war vielleicht etwas zu schmal, die Nase um eine Idee zu lang, dafür bildete der Mund einen lieblichen Schwung und ließ die Dreiecksform des Gesichts ein wenig zurücktreten.
»Du kannst mitfahren«, sagte Vic, als er auf die erste Bemerkung keine Antwort bekam.
»Nein.«
Vic gab sich noch längst nicht geschlagen, obwohl die Kleine eine negative Antwort gegeben hatte. »Ich tue dir schon nichts. Zudem wohne ich hier im Ort. Ich heiße Vic.«
»Ja…«
Sein Lächeln zerfaserte. »Du kennst mich?«
»Vielleicht?«
»Wo kommst du her?«
»Von weiter weg.«
Die Antwort hätte ich mir auch allein geben können, dachte Vic. Er ärgerte sich, daß er hier Zeit vertrödelte. »Also, was ist? Willst du mitfahren oder nicht?«
»Ich möchte zu Fuß gehen.«
»Mädchen, das ist doch unbequem.«
»Ich liebe es.« Sie hob den Arm und deutete nach rechts, wo auch der alte Friedhof lag. »Es gibt dort einen Weg, den nehme ich. Da komme ich ebenfalls nach Lauder.«
»Klar, aber du mußt über den Friedhof. Hast du da keine Angst?«
»Wovor?«
Jetzt griff Vic auf die alten Geschichten zurück, die ihm immer erzählt worden waren. »Da gibt es Geister und Gespenster. Auf dem Friedhof spukt es, ehrlich. Man sollte dort nicht allein hingehen, Mädchen.«
Das Girl lächelte. »Ich bin aber öfter dagewesen.«
»Das ist so eine Sache. Ich begleite dich lieber. Okay?«
»Wenn du willst…«
Damit hatte selbst Vic, der große Aufreißer, nicht gerechnet. Das lief ja besser, als er dachte. Vielleicht war der Abend doch noch nicht gelaufen.
Die Kleine war zwar nicht haargenau sein Typ, aber man konnte nicht alles
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