0179 - Spuk im Leichenschloß
interessiert. »Wissen Sie mehr, Mrs. Frominghton?«
»Ja, als das Schloß gebaut wurde, hat der Erbauer, irgendein Graf, das Blut seiner Feinde in die Mauern gemischt. Und er soll auch zwei Landstreicher bei lebendigem Leibe begraben haben, weil sie es gewagt hatten, ihn nicht zu grüßen, sondern lachten. Daraufhin hat er sie eingemauert, aber das ist einige hundert Jahre her. Zudem ist das Schloß zweimal wieder aufgebaut worden, oder ein Teil davon. Kriege hatten es zerstört.«
»Hat man die Leichen der beiden gefunden?« wollte ich wissen.
»Nein, nicht einmal Knochen.«
»Dann sind sie noch im Gemäuer.«
»Sicher, Mr. Sinclair. Aber das sind alte Legenden und Geschichten. So etwas schreckt uns nicht. Was meinen Sie, wie viele Burgen in merry old England eine ähnliche oder sogar noch schlimmere Vergangenheit besitzen?«
Da mußte ich ihr recht geben. Denn meine praktischen Erfahrungen hatte ich auch gesammelt.
»Ich sehe mal nach meinem Freund«, sagte ich, stutzte aber, weil ich von draußen helle Stimmen vernahm.
Die Jugendlichen kamen zurück. »Warten Sie doch einen Moment«, bat mich Mrs. Frominghton. »Ich möchte den Kindern gern erklären, was Sie von Beruf sind.«
»Wenn Sie meinen.« So völlig begeistert war ich von dem Vorschlag nicht. Aber ich wollte nicht undankbar sein. Mrs. Frominghton hatte uns auch geholfen.
Ich zündete mir eine Zigarette an und hatte erst jetzt die Muße, mich in der Halle umzuschauen.
Die Möbel waren noch in Ordnung und zeigten den Hauch Exklusivität, den ich von Einrichtungen solcher Schlösser gewöhnt war.
Sie stammten aus den verschiedensten Epochen und waren ausgezeichnet aufgearbeitet worden.
Ein Sekretär stach mir besonders ins Auge. Er war aufgeklappt.
Ich sah in seinem Innern zahlreiche kleine Schubkästen, jeder ein Kunstwerk für sich.
Mrs. Frominghton hatte ihre Schäfchen in die Halle geholt und um sich versammelt. Es war schwer, Ruhe in den Haufen zu bekommen, denn die Jugendlichen waren weit gewandert; sie hatten keine Lust mehr und waren dementsprechend sauer.
Jetzt noch eine Rede, das war nun gar nicht nach ihrem Geschmack. So dauerte es, bis Ruhe herrschte. Vielleicht trug auch meine Anwesenheit dazu bei, denn ich hatte mich inzwischen umgedreht und schaute den Jugendlichen in die Gesichter.
»Ich möchte euch etwas mitteilen!« rief Mrs. Frominghton. »Unser Gast hier, auf den wir auf so ungewöhnliche Weise gestoßen sind, heißt John Sinclair, und ist ein Chefinspektor von Scotland Yard.«
Sie verstummte und ließ die Worte wirken.
Mich trafen alle Blicke, und ich machte erst einmal keepsmiling.
Aber ein Kommentar war nicht zu überhören.
»Mensch, ein Bulle!«
Auch Mrs. Frominghton hatte die Bemerkung verstanden, sie reagierte entsprechend. »Noch einmal so eine abqualifizierende Äußerung, und ich werde dich nach Hause schicken, Ralph Sorvino. Dann kannst du deinen Bruder gleich mitnehmen.«
»Das sagt man eben so…«
»Ich weiß selbst, was man sagt.«
»Lassen Sie, Mrs. Frominghton. Ich habe früher kaum anders reagiert als Ihre Schützlinge.«
»Schmeicheln Sie sich nur nicht ein!« zischte Ralph. »Ich kenne das verdammt gut.«
Mrs. Frominghton wollte etwas sagen. Mit einer Handbewegung stoppte ich sie. »Lassen Sie mal, ich kümmere mich schon selbst darum.« Langsam schlenderte ich auf den dunkelhaarigen Ralph Sorvino zu. »Du scheinst dich ja auszukennen«, sagte ich.
»Ja.«
»Und woher?«
»Mein Alter ist Anwalt.«
»Aha. Er mag die Polizisten auch nicht.«
»So ist es«, sagte Ralph. Sein Bruder, der neben ihm stand, nickte.
»Hat dein Vater einen besonderen Grund, Polizisten nicht zu mögen?« wollte ich wissen.
»Keine Ahnung. Ist aber so. Er steht schließlich auf der anderen Seite.«
»Dabei sollte er auf der Seite des Rechts stehen«, sagte ich.
»Quatsch. Der arbeitet für ein hohes Tier, da kommen Sie nicht gegen an.«
»Wer ist es denn?« Ich hatte selten ein »Verhör« geführt, das mir so leichtfiel.
»Logan Costello!« Den Namen spie er mir förmlich ins Gesicht, und ich stand auf einmal unter Strom, wobei ich mir allerdings nichts anmerken ließ, sondern nur gleichgültig die Schultern hob.
»Sie kennen ihn nicht, wie?«
»Nein, mein Freund.«
»Na ja, kann man von einem kleinen Bullen auch nicht erwarten, daß er die Größen der Unterwelt kennt.«
»Bestimmt nicht.« Ich drehte mich wieder um. Meine Güte, wenn dieser großschnäuzige Junge wüßte, wie oft ich bereits mit
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