0182 - Ich jagte »Jack the Ripper«
die Erfahrungen einer alten Frau. Sie trug ein dünnes Kleid aus einem lila Flatterstoff, der mehr als durchsichtig war. Es reichte ihr bis knapp über die Knie. Einen BH hatte sie nicht nötig. Ihr Busen war fest und wippte bei jedem Schritt. Durch den Stoff des Kleides schimmerte nur der dunkle Slip, der mehr als knapp geschnitten war.
Claudia öffnete das Fenster. Es lag zum Hof, und sie brauchte keine Angst zu haben, von der Straße her entdeckt zu werden. Kühle Luft strömte in den Raum. Der Tag war warm gewesen, doch jetzt, nach Anbruch der Dunkelheit, war die Temperatur merklich gesunken.
Sekundenlang blieb Claudia am Fenster stehen, saugte die kühle Luft ein und hustete. Darüber erschrak sie selbst, und sie hielt hastig eine Hand vor den Mund.
Gleich würde ihre neue Freundin kommen. Jane, hieß sie. Den Nachnamen wußte Claudia nicht, aber Jane brachte frische Lebensmittel, Zigaretten und sicherlich auch die Flasche Brandy, um die Claudia sie gebeten hatte.
Es war Samstag heute. An so einem Tag hatte sie das meiste Geld gemacht, doch nun hockte sie in dieser miesen Bude und hatte nur noch Angst.
Angst vor Ossy und auch Angst vor dem Ripper.
Claudia kannte sich aus, sie wußte von den Gesetzen der Unterwelt, denn sie, eine Zeugin, hatte den Ripper gesehen. Noch immer konnte sie nicht begreifen, daß sie ihm entkommen war. Er hatte sein Messer bereits gezogen gehabt, als es in der Nähe fürchterlich krachte. Ein Unfall.
Durch ihn war der Ripper so erschreckt worden, daß er von Claudia abgelassen und die Flucht ergriffen hatte. Sie war dann dieser Jane buchstäblich in die Arme gelaufen und hatte sich bei ihr ausgeheult. Der erste Schock, denn normalerweise hätte sie einer Frau, die sie gar nicht kannte, nichts erzählt, aber in diesen schrecklichen Augenblicken war es einfach aus ihr herausgesprudelt. Und jetzt kümmerte sich Jane rührend um sie.
Claudia schloß das Fenster. Ihr war kalt geworden. Das Kleid war eben zu dünn, aber für ihren Job genau das richtige. Sie trat vor den Spiegel, sah ihr Gesicht und schüttelte über sich selbst den Kopf.
Nein, so hatte sie selten ausgesehen. Völlig down, fertig, von der Angst gezeichnet. Das war ein Zerrbild ihrer eigenen Person, aber irgendwie mußte sich der Streß bemerkbar machen, unter dem sie laufend stand.
Sie hörte Schritte.
Nichts Ungewöhnliches auf dem Gang und einem Hotel wie diesem hier. Es kamen laufend Mädchen mit ihren »Gästen«. Aber die Schritte stammten nicht von zwei Personen, sondern nur von einer. Im Laufe der Zeit hatte Claudia genau zu unterscheiden gewußt.
Ihre Haltung spannte sich. Unwillkürlich ging sie wieder zurück, um in die Nähe des Fensters zu gelangen. Zur Not konnte sie auf den Hof springen. Aus der ersten Etage machte das wirklich nicht viel.
Vor ihrer Tür verstummten die Schritte.
Es wurde geklopft.
Zweimal, dann eine Pause, und anschließend wiederholte sich das Geräusch.
Claudia atmete auf. Ein Zeichen, ihr Zeichen, denn Jane war gekommen.
»Bist du es, Jane?« fragte sie trotzdem.
»Ja.«
»Warte, ich öffne.« Claudia ging zur Tür. Zweimal drehte sie den Schlüssel, dann zog sie die Tür auf.
Jane trug eine Tüte in der Hand. Ihr blondes Haar war kaum zu sehen, so voll war die Tüte. Claudia nahm sie ihr ab, trug sie zum Tisch und stellte sie auf die Platte.
Inzwischen hatte Jane den Raum betreten und die Tür geschlossen. Sie lächelte. »Na, wie geht es dir?«
Claudia schaute die neue Freundin an. Wieder einmal hatte sie das Gefühl, daß diese Person nicht in das Milieu paßte. Jane hatte ihr zwar von einem verkrachten Studium berichtet und von ihrer Geldknappheit, aber die Geschichte nahm Claudia ihr nicht so recht ab. Sie trug zwar eine etwas herausfordernde Kleidung – einen engen blauen Pulli und einen beigefarbenen kurzen Rock – trotzdem meinte Claudia, alles wäre nur Maske.
»Was ist los?« fragte Jane und lächelte.
»Ich überlege.«
»Und was?«
»Über dich denke ich nach.«
Jane lachte und nahm auf der Bettkante Platz. »Da gibt es nicht viel nachzudenken.«
»O doch.«
»Wieso?«
»Du bist so anders. Schau dir nur das Haar an. Heute hast du es hochgesteckt, das hätte niemand von uns gemacht. Ich meine von den Mädchen, die auf der Straße stehen. Die Kerle sind doch scharf auf lange Haare.«
»Es war mir einfach zu unbequem«, erwiderte Jane. »Ich kann sie auch offen tragen.«
»Nein, nein, laß nur. Wirklich.« Claudia drehte sich um und schaute in die
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