0184 - Der Kraken-Götze
Kräfte würden frei werden, die alles, was gut und schön auf dieser Welt war, in den Rachen der Vernichtung reißen würden.
Glarelion stieß in sein silberbeschlagenes Horn.
***
Sie schienen förmlich aus den Bäumen zu wachsen. Professor Zamorra sah aus den Augenwinkeln die Neuankömmlinge. Und vom ersten Moment wußte er, daß diese Gestalten, die strahlend aus dem Laub der Bäume hervorkamen, nicht vom Bösen gelenkt sein konnten.
Ein überirdischer Glanz umgab die Wesen. Sie waren in grüne Gewänder gekleidet. Der Schnitt war ähnlich, wie die Jägerkleidung des Hochmittelalters. Der Meister des Übersinnlichen fragte nicht, woher sie kamen. Er sah, daß blitzende Schwerter gezogen wurden. Pfeile sirrten, getrieben von zurückschnellenden Sehnen. Und jedes der Geschosse traf. Zamorra und seine Gefährten bekamen Luft. Die übrig gebliebenen Gestalten der Nacht aber flohen, ein hohles Kreischen ausstoßend, in die Schwärze des Ganges. Die Lichtgestalten verfolgten sie mit geschwungenen Schwertern. Aber vor dem Eishauch, der aus dem Berge kam, wichen sie zurück.
Schweratmend stützte sich Professor Zamorra auf sein Schwert. Jörg Bernhard stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, Peter Michael wischte sich keuchend den Schweiß von der Stirn. Sie betrachteten staunend die Gestalten, die ihnen in wenigen Augenblicken das Leben neu geschenkt hatten.
»Habt dank für die Rettung!« rief ihnen Professor Zamorra zu. »Aber kündet uns, wer oder was seid ihr?« Denn hier konnte es sich nur um überirdische Wesen handeln. Wieder einmal mehr war der Meister des Übersinnlichen verwundert, daß das Amulett nicht ansprach. Aber keiner der Lichtgestalten antwortete. Plötzlich streckten jedoch alle wie grüßend ihre Schwerter in die Höhe. Von irgendwoher klang ein Akkord, wie von einer Harfe gespielt. Und im gleißenden Lichtbogen erschien der Herr der Elben. Sein Antlitz strahlte in überirdischer Schönheit, Professor Zamorra und seine Gefährten verneigten sich tief, ahnend, daß ihnen ein Hoher des Geisterreiches gegenüberstand.
»Ich freue mich, daß die Hilfe meines Volkes für euch nicht zu spät kam«, drang es singend an das Ohr des Parapsychologen. »Stark ist die Kraft des Bösen, aber gewaltig ist auch die Macht im Volke der Elben!«
»Die Elben«, jappste Peter Michael, »großer Tolkien, sollte gar der ›Herr der Ringe‹ auf Tatsachen beruhen?«
»Der Sinn deiner Worte ist mir fremd«, redete der Elbenbeherrscher. »Aber du scheinst ein Wissender zu sein. Sagt an, ist es wahr, daß die Menschheit das Angedenken an die glücklichen Tage von Shinljumeiieia nicht vergaß. Und künden ihre Lieder noch von den Taten Glarelions, des Königs der Elben, der sein Volk mit dem Reiche der Elementargeister verband?«
Zamorra hätte gerne geantwortet, aber Peter war der Angesprochene. Der Parapsychologe hoffte, daß der Junge nun keinen Unsinn plapperte. Aber Peter war ein Sofortumschalter. Aus dem Stegreif heraus kündete er, was er von den Elben wußte, wobei er den Volksglauben und das, was er in Tolkiens Romanen gelesen hatte, geschickt verband. »… den König der Elben aber nennen die Menschen den Erlkönig«, baute er am Schluß seines Vortrages Goethes unsterbliche Ballade in seinen Vortrag. »Den Erlkönig mit Krone und Schweif… !«
Das Gesicht Glarelions lächelte milde. Dann aber wurde er sehr ernst. »Mann, der du die Macht der Magie beherrschst«, fühlte sich Zamorra angesprochen, »künde mir, was du über die Gefahr weißt, die hier aus den Nebeln der Vergangenheit erneut auferstanden ist!«
Hilflos mußte Zamorra die Schultern zucken. »Zamorra ist mein Name!« stellte er sich vor, »und die Gefahr, die du ansprichst, mächtiger Elbenherrscher, ist so groß, daß mir die derzeitigen Beherrscher aus dem Reich der Tiefe ein Bündnis gegen sie angeboten haben. Ohne die wahre Macht dieses Gegners zu kennen, schlug ich das Bündnis aus!«
»… und tatest recht daran«, bemerkte Glarelion beifällig. »Nun gut! Auch ohne den Feind zu kennen, werden wir ihn bestehen. Ich selbst will den Angriff führen. Aber vorher«, ein Schatten flog über sein Gesicht, »gibt es hier noch einiges zu tun.« Der Elb nestelte eine kleine, silberne Harfe von seinem Gürtel los. Leicht strichen seine Finger über die Saiten. Überirdische Sphärenmusik erfüllte die Luft.
Und wie die Töne erklangen, zerfielen vor den Augen der Staunenden die zusammengesunkenen Körper der von den Elbenpfeilen
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